König Ludwig von Baiern. 605
zichtete auf alle Genüsse des Wohllebens um sich die Kosten für seine
Kunstwerke abzusparen; aber wenn die Leidenschaft für ein schönes Weib
ihn packte, dann vergaß er alle Selbstbeherrschung, alle Rücksicht auf
seine trotz alledem geliebte Gemahlin, die Königin Therese und zeigte seine
Neigung mit einer hellenischen Unbefangenheit, die in der nüchternen
modernen Welt Aergerniß erregen mußte.
Freilich trugen die Baiern selber einige Mitschuld an dieser naiven
Rücksichtslosigkeit ihres Königs, da sie ihn schon bei seiner Thronbesteigung
mit überschwänglichen Huldigungen begrüßten, die auch einen kühleren Kopf
berauschen konnten. Thiersch sagte gradezu: „hier ist mehr als Friedrich!“
Platen verkündete die künstlerischen und politischen Hoffnungen des jungen
Geschlechts in einer schwungvollen Ode:
Du siehst im Marmor keinen Marmor,
Aber ein künftiges Jovis-Antlitz.
Ins Wappenschild uralter Sitte
Fügst Du die Rosen der jüngsten Freiheit!
Politisch bedeutsamer war eine hochpathetische Ansprache des Kurfürsten
Maximilian J. an den neuen König, welche Görres im „Katholiken“
erscheinen ließ: da mahnte der Stifter der katholischen Liga, der gestrenge
Bändiger der altbairischen Ständefreiheit seinen Enkel zur Verfassungstreue,
zur Wahrung des confessionellen Friedens, zum Kampfe wider die Zeloten
von zweierlei Art, welche Glauben und Geistesfreiheit für unvereinbar
halten. Der leitende Gedanke der Schrift lag nicht in diesen schillernden
liberalen Schlagworten, sondern in dem unzweideutigen Satze: König
Ludwig solle ein Schirmvogt des katholischen Glaubens sein, „damit Baiern
wieder werde, was es zuvor gewesen, ehe sie das Gegentheil ihm angelogen,
ein Schild und Eckstein der deutschen Kirche“. Der clericale Demagog
meinte in dem gekrönten Romantiker den Mann gefunden zu haben, der
die vollständige Ausführung des Concordats nicht länger durch „sogenannte
organische Edikte“ hemmen und „die böse Sekte des Verstandesfanatism“
aus dem rechtgläubigen Baierlande austreiben werde. An schwülstigen
Lobsprüchen ließ er es nicht fehlen.
Nun gar die kleinen bairischen Zeitungsschreiber überboten einander
in Schmeicheleien, deren Plumpheit selbst im diplomatischen Corps Ekel
erregte*): „Baierns Ludwig“ hieß der teutscheste der teutschen Fürsten, der
Stern aller teutschgesinnten Männer, der Weise auf dem Throne; zum
Namenstage seiner Gemahlin erschien der Mond am Himmel um unter—
thänig Glück zu wünschen! Selbst sein militärisches Genie, das unter
seinen mannigfachen Gaben unzweifelhaft die letzte Stelle einnahm, wurde
gepriesen; man nannte ihn „den lorbeergekrönten Sieger von Pultusk“,
obgleich die Veteranen alle wußten, wie unschuldig der damals einundzwanzig—
*) Küster's Bericht, 11. Okt. 1826.