632 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
Motz war grade auf einer Dienstreise abwesend, als die Nachrichten
aus Hessen einliefen. Maassen aber, der ihn vertrat, durfte als schlichter
Amtsverweser nur wiederholen, was schon zweimal vom Finanzministerium
erkllärt worden war; er wies die Verhandlungen über Handelserleichte-
rungen nicht ab, hielt jedoch einen Zollverein für unmöglich, da Hessen
allzu sehr zerstückelt sei und ein so weit abweichendes Steuersystem be-
sitze. Im Auswärtigen Amte dachte man muthiger. Eichhorn fand es
hochbedenklich, einen deutschen Bundesgenossen zurückzuweisen, der in ernster
Verlegenheit sich an Preußen wende; er rieth aus politischen Gründen
dringend, auf du Thil's Wünsche einzugehen; nur solle nicht bloß ein
Handelsvertrag, sondern eine dauernde Verbindung geschlossen werden. Zu-
gleich schrieb Otterstedt aus Karlsruhe: daß König Ludwig bei seinem Zoll-
vereine politische Nebenpläne verfolge, sei offenkundig; jetzt gelte es, Preußens
Ansehen zu wahren. Er verbürgte sich für du Thil's Ehrlichkeit, mahnte
aber, das strengste Geheimniß bei den Verhandlungen zu bewahren, damit
nicht Oesterreich und Baiern vereint in Darmstadt entgegenarbeiteten.)
Unterdessen war Motz heimgekehrt, und sofort trat er mit den Plänen
heraus, die ihm während der letzten Jahre aufgestiegen waren. Der
kühne Mann erklärte sich bereit, jetzt den unvortheilhaften Vertrag mit
Darmstadt zu schließen, weil er hoffte, daß dies Beispiel die mitteldeutschen
Nachbarn nachziehen werde; auf die niederdeutschen Staaten war ja doch
nicht zu rechnen. Es ist sehr wichtig, schrieb er dem Minister des Aus-
wärtigen, beide Hessen und alle sächsischen Regierungen, auch das König-
reich, in unser Steuersystem aufzunehmen. „Ich bin auch nicht besorgt,
daß diese einen anderen Steuerverband wählen werden, weil ihr Finanz-
interesse nur in einer Verbindung mit uns bedeutend gewinnen und sie
drückender Finanzsorgen entheben wird. Ich hoffe und wünsche, daß Hessen-
Darmstadt, dessen Finanz-Verlegenheit bekannt ist, und welches hier die
richtige Medicin findet, damit den Anfang machen, und die andern ge-
nannten Regierungen dann bald nachfolgen werden.““)
Während also die Berliner Behörden unter sich beriethen, setzten
Baiern und Württemberg alle Hebel ein, um den Kurfürsten von Hessen
für ihren werdenden Verein zu gewinnen. Drangen sie durch, so schien
die Verbindung Darmstadts mit Preußen kaum räthlich. Daher sendete
du Thil den Prinzen August Wittgenstein nach Cassel, angeblich, wie er
Maltzan sagte, um den Kurfürsten zu warnen, vielleicht auch um für
alle Fälle gedeckt zu bleiben.“) Am Casseler Hofe überwog der Wider-
wille gegen den constitutionellen Süden und die Furcht vor jeder Schmä-
lerung der Souveränität; Baierns Bemühungen scheiterten.
*) Maassen an das Auswärtige Amt, 9. Sept.; Eichhorn an Maassen, 9. Sept.;
Otterstedt's Berichte, 17. Sept. 1827.
**“) Motz an das Auswärtige Amt, 4. Jan. 1828.
*#*) Maltzan's Bericht, 1. Okt. 1827.