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Baiern und die Karlsbader Beschlüsse.
IX. Baiern und die Karlsbader Beschlüsse.
Zu Bd. II S. 580f.
Unter dem Titel „Die bairische Verfassung und die Karlsbader Beschlüsse“ hat
Freiherr Max von Lerchenfeld eine Schrift veröffentlicht, die ich als einen dankenswerthen
Beitrag zur neuen deutschen Geschichte willkommen heißen würde, wenn mich nicht ein
der Erzählung vorangestelltes Capitel „Treitschke's Deutsche Geschichte“ zu einer Er—
widerung nöthigte.
Im Verlaufe meiner Forschungen über die ersten Friedensjahre seit 1815 bin ich
zu einem Ergebniß gelangt, das von der landläufigen Ansicht ziemlich weit abweicht:
es ist nicht richtig, daß Preußen damals lediglich eine Macht des Beharrens war und
die politische Bewegung der deutschen Nation sich allein auf die constitutionellen Mittel—
staaten beschränkte; vielmehr hat die preußische Krone gerade in diesen verrufenen Jahren
den festen Grund gelegt für die militärische und die wirthschaftliche Einheit unseres
Vaterlandes, während die constitutionellen Staaten ihrerseits an den Karlsbader Be—
schlüssen und den anderen verhängnißvollen Mißgriffen der beiden Großmächte mit
schuldig sind. Dies Urtheil ergab sich mir ungesucht, zu meiner eigenen Ueberraschung
— habe ich doch selbst vor zwanzig Jahren, als ich den Thatbestand noch nicht genau
kannte, die allgemeine Ansicht im Wesentlichen getheilt — und da politische Legenden
eine sehr zähe Lebenskraft zu besitzen pflegen, so mußte ich auf lebhaften Widerspruch
gefaßt sein. Das konnte ich freilich nicht erwarten, daß einige norddeutsche Liberale,
geärgert durch die Zerstörung tief eingewurzelter Parteimärchen, die landsmannschaftliche
Empfindlichkeit der Oberdeutschen gegen mein Buch aufzustacheln suchen würden. Weil
die Pflicht der historischen Wahrhaftigkeit mich zu dem Nachweise zwang, daß die viel-
verleumdete preußische Politik jener Tage weit besser war als ihr Ruf und die con-
stitutionellen Höfe manchen der ihnen von liberalen Historikern gespendeten Lobsprüche
nicht verdienen, darum beschuldigt man mich der Gehässigkeit gegen die Süd= und Mittel-
deutschen, denen ich selber durch Geburt und Erziehung angehöre.
Zu meinem Bedauern ist Herr v. Lerchenfeld diesen Einflüsterungen nicht ganz
unzugänglich geblieben. Er spricht zwar maßvoll und würdig, wie ich das von ihm
nicht anders erwarten konnte, und der ruhige Ton seiner Rede beweist mir zu meiner
Freude abermals, daß meinc oberdeutschen Landsleute meine Arbeit ungleich freundlicher
aufgenommen haben als ihre unberufenen norddeutschen Anwälte. Doch hätte er das
Buch ganz unbefangen mit seinen gesunden bairischen Augen, nicht durch die trübe Brille
der norddeutschen Gelehrten der Allgemeinen Zeitung betrachtet, so würde er weder Ge-
danfen herauslesen, die nicht darin stehen, noch Urtheile bekämpfen, die mit seinen eigenen
vollkommen zusammen stimmen. Er zeiht mich der Unbilligkeit gegenüber der bairischen
Rheinbundspolitik und hält mir zu meiner Besserung das Beispiel Hardenberg's vor,
der gerechtermaßen anerkannt habe, daß Baierns Verbindung mit Frankreich gutentheils
durch Preußens Schwäche verschuldet war. Wer mein Buch nicht gelesen hat, muß also
annehmen, daß mein Urtheil diesem Ausspruche Hardenberg's gradeswegs zuwiderlaufe.
Wie steht es damit in Wahrheit? Ich kann es mir nicht versagen, die beiden Stellen
hier neben einander abzudrucken, weil diese Zusammenstellung den Lesern, die sich in
unseren grilligen Tagen noch ein wenig gute Laune bewahrt haben, vielleicht eine kleine
Ergötzung bereiten wird.
Hardenberg sagt (bei Lerchenfeld S. 6) Ich sage (Deutsche Gesch. II. 334):
„Es ist wahr, Baiern verdankte Preußen „Nicht aus Vorliebe für Frankreich
seine Erhaltung, und der Kurfürst ins hatte Montgelas einst das Bündniß mit
besondere dem König persönlich Freundschaft, Preußen aufgegeben, sondern weil er einsah,
Schutz und Zuflucht im Unglück; aber es war daß die bairische Vergrößerungslust vor-
zu entschuldigen, daß es seine Politik nicht läufig von Preußens Schwäche nichts, von
an die preußische kettete, weil diese so schwach Bonaparte's Thatkraft Alles erwarten
war und so wenig Schutz gewährte."“ konnte.“