Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die bayrisch-badischen Händel. 357 
Grundsatz getreu, die Unterhandlungen mit den einzelnen Gruppen scharf 
auseinander gehalten hätte. Der Vergleich drängt sich unwillkürlich auf: 
der Deutsche Zollverein ging aus dem preußisch-hessischen hervor unter 
ähnlichen Kämpfen und Bedenken, wie späterhin das Deutsche Reich aus 
dem Norddeutschen Bunde. Der Zollverein wie der Norddeutsche Bund 
stieß auf die höchsten Schwierigkeiten erst, als die größeren Mittelstaaten, 
mit ihrem festgewurzelten und nicht ganz unberechtigten Partikularismus, 
mit der Fülle ihrer scheinbar oder wirklich abweichenden Interessen in die 
Verhandlungen eintraten. In Versailles wie vierzig Jahre zuvor in Berlin 
gebärdeten sich die süddeutschen Kronen anfangs, als stünde man vor einem 
Neubau, als sei noch gar kein Grundgesetz vorhanden; erst nach langem 
peinlichem Zögern erkannten sie die im Norden bestehende Ordnung an, 
doch indem der Bau erweitert wurde, lockerte man zugleich das feste Gefüge 
seiner Mauern. 
Der Handelsvertrag zwischen Preußen-Hessen und Bayern-Württem- 
berg war von vornherein in der Absicht fortschreitender Erweiterung ab- 
geschlossen. In München aber begann die ultramontane Partei sofort an 
dem neuen Bunde zu zerren und zu nagen. Ihre Führer, Schenk, Görres, 
Ringseis, standen durch den k. k. Legationsrat Wolff mit der Hofburg im 
Verkehr; der Gesandte in Wien, Graf Bray, war für Metternich gewonnen, 
desgleichen neuerdings auch der alte Feldmarschall Wrede. Angesichts dieser 
mächtigen Gegner und der unberechenbaren Launen König Ludwigs hielt 
Bernstorff für nötig, allen Begehren Bayerns soweit als möglich entgegen- 
zukommen. Der Münchener Hof wünschte zunächst den Eintritt Badens 
in den bayrisch-württembergischen Verein; denn das badische Gebiet ragte 
als ein trennender Keil zwischen die bayrische Pfalz und die Hauptmasse 
der Vereinslande hinein, und unter dem Schutze der gerühmten Karlsruher 
Freihandelspolitik, die für die Grenzbewachung wenig tat, blühte auf dem 
Schwarzwalde wie am Rheinufer ein gefährlicher Schmuggelhandel. War 
der kränkelnde süddeutsche Zollverein durch Badens Zutritt neu gekräftigt, 
dann erst sollte — so rechnete König Ludwig — über die völlige Ver- 
schmelzung der beiden Vereine des Nordens und des Südens verhandelt 
werden. Motz hatte diesen etwas künstlichen und umständlichen Plan ge- 
billigt, und aus Rücksicht auf Bayern hielt Bernstorff auch jetzt noch daran 
fest, obwohl Maassen ihm versicherte, man könne getrost weiter gehen und 
mit Bayern, Württemberg und Baden sogleich einen wirklichen Zollverein 
nach dem Muster des preußisch-hessischen abschließen.) 
Eine handelspolitische Verständigung zwischen Bayern und Baden 
blieb aber völlig aussichtslos, solange die beiden Höfe einander noch als 
Feinde betrachteten und König Ludwig seine traumhaften Ansprüche auf 
badisches Gebiet nicht aufgab. Als Großherzog Ludwig starb und sein 
  
*) Maassen an das Auswärtige Amt, 15. Okt. 1830.
	        
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