376 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
zu erreichen ist; sollen in Deutschland überhaupt Durchfuhrzölle bestehen,
so doch jedenfalls ein anderes System als das preußische! — Die Finanz-
partei in Berlin klagte laut über die offenbare Zweizüngigkeit. Geh. Rat
Michaelis fragte in einer scharfen Denkschrift: soll diese Sprache des
sächsischen Bundestagsgesandten etwa die öffentliche Meinung in Sachsen
für den preußischen Zollverein gewinnen? — Wen konnten auch die
nichtigen Entschuldigungen überzeugen, die der sächsische Minister Minckwitz
seinem Berliner Gesandten Watzdorf schrieb (29. Nov. 1832) Der harm-
lose Mann beteuerte, die Vorgänge in Frankfurt sollten den Berliner
Verhandlungen „keinen Eintrag tun“! Eichhorn aber, als ein gewiegter
Kenner des Charakters der kleinen Höfe, mahnte seine erzürnten Amts-
genossen zur Geduld: gönnen wir doch den Herren in der Eschenheimer
Gasse ihre unschuldigen Stilübungen; der Dresdner Hof meint es ehrlich,
wenngleich er zuweilen einem Anfall von Schwäche unterliegt; noch eine
kurze Frist, und er kommt wieder zu uns.
Und so geschah es. Im Januar 1833 besprach sich Mieg in Dresden
mit Zeschau, und als darauf die Berliner Verhandlungen mit Bayern
so glücklich vorangingen, kam der sächsische Finanzminister (24. März)
zum dritten Male in die preußische Hauptstadt. Nach kaum acht Tagen
(30. März 1833) schlossen Eichhorn, Maassen, Zeschau und Watzdorf den
Zollvereinsvertrag, der wörtlich mit dem soeben beendigten bayrischen über-
einstimmte. Einige Separatartikel ordneten den Zustand der Messen.
Der Frankfurter Zollrabatt blieb etwas ermäßigt bestehen, doch durfte
Sachsen seinem Leipzig ähnliche Vergünstigungen zuwenden. Der Meß-
handel erhielt eine große Erleichterung durch die Einrichtung der Meß-
kontierung; für Leipziger Großhandlungen von gutem Rufe wurde sogar
ein über die Meßzeiten hinaus fortdauerndes Steuerkonto zum Abschreiben
eröffnet — eine wichtige Vergünstigung, die noch manchen Mißbrauch ver-
anlassen sollte. Auch die Herabsetzung einiger Zollsätze, namentlich für
Woll= und Baumwollwaren, wurde vereinbart. Preußen verpflichtete sich,
die Ermäßigung der Elbschiffahrtsabgaben, welche Anhalt dem preußischen
Elbhandel zugestanden hatte, auch dem sächsischen Verkehre zuzuwenden;
der gute Vorsatz scheiterte freilich an Anhalts Kleinsinn.
Nicht ohne Zagen unterschrieb Maassen den Vertrag, der den preu-
ßischen Markt den Fabriken des Erzgebirges eröffnete; von allen seinen
Räten stimmte ihm nur Kühne unbedingt zu. „Das ist ein schwerer
Vertrag“ — sagte er zu Kühne und wog die Aktenstücke auf der flachen
Hand — „es hätte ihn nicht jeder unterzeichnet.“ Die Besorgnis des
Staatswirts hatte zurücktreten müssen vor den Hoffnungen der Politiker.
Sachsen stand gerade in den Flitterwochen seines konstitutionellen Lebens;
der Eintritt dieses Staates mußte die öffentliche Meinung günstig stimmen.
Leider verging wieder eine geraume Frist, bis die deutsche Welt mit der
vollendeten Tatsache sich versöhnte. Die preußischen Fabrikanten lärmten,