Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

404 IV. 6. Der Deutsche Zollverein. 
grüßte, erklärte zuversichtlich, der Handelsbund stelle uns sicher vor der 
Wiederkehr bürgerlicher Kriege. Auch diese Weissagungen sind nicht buch- 
stäblich eingetroffen. Der Zollverein hat die oberdeutschen Staaten nicht 
verhindert, die Waffen zu ergreifen gegen Preußen. Und dennoch sollte 
gerade das Jahr 1866 die gewaltige Lebenskraft dieses handelspolitischen 
Bundes erproben. Der rasche Siegeszug der preußischen Fahnen überhob 
unseren Staat der Mühe, seine wuchtigste Waffe zu schwingen, durch die 
Aufhebung der Zollgemeinschaft die oberdeutschen Höfe sofort zu bekehren. 
Das Bewußtsein, daß man zueinander gehöre, daß man sich nicht 
mehr trennen könne von dem großen Vaterlande, war durch die kleinen 
Erfahrungen jedes Tages in alle Lebensgewohnheiten der Nation einge- 
drungen, und in dieser mittelbaren politischen Wirkung liegt der historische 
Sinn des Zollvereins. Mochten die Schulen der Albertiner und der Welfen 
der Jugend die Märchen des Stammeshasses und der partikularistischen 
Selbstzufriedenheit künden — es ging doch zu Ende mit dem Philistertum 
der alten Zeit, das an die Herrlichkeit der Kleinstaaten kindlich glaubte. 
Der Geschäftsmann folgte mit seinen Gedanken den Warenballen, die 
er frei durch die deutschen Länder sandte; er gewöhnte sich, wie schon 
längst der Gelehrte, über die Grenzen des heimischen Kleinstaates hinaus- 
zublicken; sein Auge, vertraut mit großen Verhältnissen, sah mit ironischer 
Gleichgültigkeit auf die Kleinheit des engeren Vaterlandes. Der Gedanke 
selbst, daß die alten trennenden Schranken jemals wiederkehren könnten, 
wurde dem Volke fremd; wer einmal in dem Handelsbunde stand, gehörte 
ihm für immer. Eine unerbittliche Notwendigkeit stellte nach jeder Krisis 
die alten Grenzen des Zollvereins wieder her; kalte politische Köpfe konnten 
stets mit mathematischer Sicherheit den Verlauf des Streites im voraus 
berechnen. 
Das Ausland gab den aussichtslosen Kampf gegen unsere Handels- 
einheit bald auf. Französische Staatsmänner gestanden achselzuckend: wir 
haben leider den deutschen Staaten nichts zu bieten, was ihnen die Vor- 
teile des preußischen Zollvereins ersetzen könnte. Die Briten erhielten 
erst durch Dr. Bowrings Berichte (1839) eine deutlichere Vorstellung 
von dem Wesen des Zollvereines und gewöhnten sich fortan, Preußen als 
den Vertreter des deutschen Handels zu betrachten. Österreich mußte 
nach stets vergeblichen Störungsversuchen immer wieder dem Nebenbuhler 
freie Hand lassen im deutschen Verkehrsleben; nur dieser stillschweigende 
Vertrag zwischen den beiden Großmächten sicherte notdürftig den Bestand 
des Deutschen Bundes. Dem preußischen Staate aber waren die Wege 
seiner Handelspolitik so fest und sicher vorgezeichnet, daß auch die Zagheit 
sie nicht mehr verlassen konnte. Die Aufgabe war, den Handelsbund aus- 
zudehnen; über alle deutschen Staaten, aber keinen Schritt weiter. Schon 
im Jahre 1834 wurde in Brüssel, durch die Sorge vor Frankreichs Er- 
oberungslust, die Frage aufgeworfen, ob nicht Belgien dem Deutschen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.