Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

550 IV. 8. Stille Jahre. 
waltung sich in den alten Provinzen hohes Ansehen erwarb und selbst die 
verfallenen Patrimonialgerichte, soweit dies noch möglich war, in leidlichen 
Stand brachte, rückte das große Werk der Gesetzrevision unter Kamptzs 
Leitung nicht von der Stelle. An Eifer gebrach es weder dem schwer- 
gelehrten Minister, noch der Kommission ausgezeichneter Juristen, die mit 
ihm zusammenarbeitete. Binnen acht Jahren wurden die Entwürfe für 
das Strafgesetzbuch, die Prozeßordnung, die Gerichtsverfassung und die 
Anfänge des bürgerlichen Gesetzbuchs vorgelegt, dazu die ungeheure Samm— 
lung der Provinzialrechte, ein erstaunliches Werk deutschen Gelehrten— 
fleißes. Doch das alles blieb nur Vorarbeit, Kamptz verstand nicht zur 
rechten Zeit abzuschließen. Nur ein einziges, die Rechtspflege wahrhaft 
förderndes Gesetz kam unter seiner Verwaltung zustande und auch dies 
nur auf die persönliche Mahnung des Königs. Der Berliner Rechtsan— 
walt Marchand hatte in einer Flugschrift die unendliche Weitläufigkeit der 
Bagatellprozesse geschildert und seine Arbeit dem Monarchen eingesendet. 
Friedrich Wilhelm fühlte sich betroffen durch die überzeugende, gemeinver— 
ständliche Darstellung, und befahl sofort Abhilfe. Im Jahre 1833 er— 
schien die Verordnung über den summarischen Prozeß, die für einfache 
Rechtsstreitigkeiten ein abgekürztes mündliches Verfahren, wie es schon in 
Posen bestand 7), vorschrieb und also den Weg zeigte zur Reform des ge- 
samten Zivilprozesses. 
Sonst blieb die gewaltige Arbeit der Gesetzrevision unfruchtbar; und 
in der rheinischen Justizoerwaltung, die ihm übertragen war, stiftete Kamptz 
nur Unfrieden. Den Rheinländern schien der harte Demagogenverfolger 
von vornherein verdächtig. Bald brachte er auch den gesamten preußi- 
schen Richterstand gegen sich auf, als der König einen Naumburger Ober- 
landesgerichtsrat, der wegen eines törichten Trinkspruchs auf die Polen 
zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, aus dem Amte entließ und 
Kamptz mit gewohntem Ungestüm dies Verfahren öffentlich verteidigte. Die 
allerdings schlecht redigierten und nicht ganz unzweideutigen Vorschriften des 
Allgemeinen Landrechts waren bisher immer dahin ausgelegt worden, daß 
der Richter nur durch Urteil und Recht entlassen werden könne; nun gar 
am Rheine galt die Unabsetzbarkeit der Richter für ein Bollwerk der Volks- 
freiheit. Seitdem betrachteten die Rheinländer ihren Justizminister als ihren 
geschworenen Feind. Sie schalten wieder über Kabinettsjustiz, als der König 
noch zweimal, wie einst im Prozesse Fonk, ein von den rheinischen Ge- 
schworenen gefälltes Todesurteil nicht bestätigte; nimmer wollten sie sich 
darein finden, daß der Monarch nach preußischem Rechte nicht bloß be- 
gnadigen durfte, sondern auch kraft seiner oberstrichterlichen Gewalt befugt 
war, jedem Todesurteile die Bestätigung zu gewähren oder zu versagen.) 
  
*) S. o. II. 222. 
**) Diesen Umstand, der das Verfahren des Königs im Prozeß Fonk erklärt, habe
	        
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