638 IV. 8. Stille Jahre.
dreien war nur Heideck des griechischen Landes und seiner Sprache
einigermaßen kundig. „Was ich in Ihre Hände lege“ — schrieb Ludwig
an Armansperg — „ist nicht bloß ein persönliches, es ist ein Interesse des
bayrischen Hauses, des bayrischen Volks, ein welthistorisches Interesse.“
Auch eine Schar von Unterbeamten zog mit hinüber. Darunter befanden
sich — wie dies bei jeder plötzlichen Verschiebung im Beamtentum zu
geschehen pflegt — einzelne hochstrebende Idealisten, aber noch mehr un-
brauchbare Leute, die daheim nicht vorwärtskamen; sie glaubten das Glück
der Hellenen dann am sichersten zu begründen, wenn sie ihnen einen Euro-
taskreis und einen Ilissuskreis getreu nach dem Vorbilde des heimischen
Rezatkreises und Isarkreises einrichteten. Wohl kamen einige Tage fröh-
licher Hoffnung: als der junge König, leider nicht auf deutschen Schiffen,
sondern nur als Gast auf der Flotte der Schutzmächte, an der malerischen
Felsenküste von Nauplia landete (3. Februar 1833) — ein prächtiges Schau-
spiel, das der eigens dazu abgesandte Peter Heß auf einem seiner besten
Gemälde verewigte — und dann wieder, als die letzten Türken das Kastron
von Athen räumten und die Hellblauen mit den Raupenhelmen triumphierend
in der Akropolis einzogen. Doch nur zu bald zeigte sich der Widersinn
dieser Verbindung zweier Länder, die miteinander schlechterdings nichts
gemein hatten als die zufällige Gleichheit der blauweißen Landesfarben.
Die Regentschaft fand den Boden bereits besetzt durch die Resi-
denten der drei Schutzmächte, die sich hier, ganz wie ihre vornehmeren
Genossen am Bosporus, schon einen diplomatischen Blocksberg eingerichtet
hatten und, ganz wie jene, in endlosen Ränkespielen einander befehdeten.
Da sie längst Bescheid wußten, die treuherzige Regentschaft aber den eigent-
lichen Grund aller orientalischen Parteikämpfe, die Begehrlichkeit, noch nicht
durchschaut hatte, so geschah es bald, daß jeder der drei Gesandten einen
der bayrischen Regenten für sich gewann. Armansperg ging mit England,
Heideck mit Rußland, Maurer und sein getreuer Geh. Rat Abel mit
Frankreich. Die Zwietracht ward vollkommen, als nachher auch noch der
neue österreichische Gesandte Prokesch sich einmischte. Der preußische Hof
hielt sich diesen Ränken meist fern; er blieb aber der Meinung, daß
Armanspergs englische Politik immerhin noch am wenigsten schade, denn
Rußlands Einfluß würde die Eifersucht der Westmächte, Frankreichs Ein-
fluß die revolutionären Leidenschaften aufstacheln.“') Der diplomatische
Zank war um so gefährlicher, da die Schutzmächte die wirtschaftliche Zu-
kunft des völlig ausgeraubten jungen Staates in ihrer Hand hielten; sie
hatten zu Gunsten Griechenlands eine Anleihe von 60 Mill. Franken auf-
genommen, wovon erst zwei Drittel ausgezahlt waren, und sobald die
Haltung der Regentschaft einer der drei Mächte mißfiel, erging sofort die
barsche Drohung, nunmehr müsse man die Zahlungen einstellen.
*) Ancillon, Weisung an Dönhoff, 28. Mai 1835.