Gärung in Posen. 153
den seine Standesgenossen wegen seines guten Einvernehmens mit den
Deutschen beargwöhnten, warnte nachdrücklich, diese beiden Nationen sollten
wohl friedlich nebeneinander leben, doch niemals sich vermischen. Unter
sich waren die Polen keineswegs einig. Neben den Geheimbünden des
Adels bildete sich ein radikaler Verein unter den Gewerbtreibenden der
Provinzialhauptstadt und einem Teile jener müßigen Händler und Schenk—
wirte, welche in den kleinen Städten den fehlenden Handwerkerstand
vertraten; seine von Dr. Libelt herausgegebene Zeitschrift, das Jahr, stand
den Lehren des Kommunismus nahe. Gegen die Deutschen aber hielten
alle Parteien zusammen. Schon wurde die Losung ausgegeben, man
dürfe nur bei Landsleuten kaufen, und in Posen ein Bazar auf Aktien
gegründet, dessen Läden die Gesellschaft ausschließlich an Polen vermietete;
auch für ein polnisches Theater ward gesammelt.
Infolge der beständigen Warnungen der russischen Gesandtschaft
erhielten die Landräte den Befehl, auf die geheimen Umtriebe der Polen
scharf aufzumerken. Da sich indessen die moskowitischen Berichte zum Teil
als falsch oder übertrieben erwiesen, so ließ sich die deutsche Gutmütigkeit
bald wieder einschläfern. Ein berüchtigter Agent der Propaganda Trzemski
wurde, als man ihn nach Jahren endlich einfing, wieder losgegeben, weil
er sich auf die Amnestie des neuen Königs berief?); und über den gefähr-
lichsten aller Preußenfeinde des Landes, Titus Dzialynski urteilte das
Auswärtige Amt unschuldig: dieser Graf sei viel zu vornehm zum Ver-
schwörer.*) Harmloser noch als seine Beamten war der König selbst. Als
er im Sommer 1842 auf der Durchreise Posen berührte, da ließ er sich,
wie man sagte, durch die Bitten der Radziwills bewegen, dort einige Tage
zu verweilen, und die Polen bereiteten ihm eine jener lärmenden Hul-
digungen, welche der flawischen Leichtlebigkeit gar nichts kosten. Entzückt
schilderte er, wie man ihn über alle Erwartung gut empfangen und wie
er beim Festmahle 205, meist adlige Magen habe füllen müssen.““*“) Nach
dem kurzen Aufenthalte verlieh er zum Abschied noch 55 Orden an diese
ungetreue Provinz, die er schon bei der Königsberger Huldigung mit Aus-
zeichnungen überschüttet hatte; selbst Dunin wurde durch einen Orden geehrt.
Dergestalt trieb man arglos dem großen Verrate der Polen entgegen. Ein
genialer, seiner Macht sicherer Staatsmann darf wohl zuweilen abweichen
von der alten Regel, daß die Staatsgewalt sich auf ihre Freunde, nicht
auf ihre Feinde stützen soll. Eine schwache Regierung verrät nur ihre
eigene Haltlosigkeit, wenn sie in kurzsichtiger Üüberschlauheit unbelehrbaren
Gegnern zu schmeicheln versucht. So geschah es hier: die Polen wurden
nicht gewonnen, die treuen Deutschen aber fühlten sich wie verraten und
7) Schreiben des Justizministeriums an Rochow, 16. Okt. 1840.
*“) Weisung des Auswärtigen Amts an Arnim in Paris, 8. Juni 1841. Val.
IV. 62.
**“) König Friedrich Wilhelm an Thile, Posen, 25. Juni 1842.