Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

262 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. 
untersagt. Graf Arnim, der vergeblich abgeraten hatte, berichtete nach 
einigen Monaten dem Monarchen, durchaus der Wahrheit gemäß: „Von 
jenem Augenblicke an wendete sich zuerst die Mißstimmung am Rhein, 
welche bis dahin nur gegen die Minister gerichtet war, auch gegen Ew. 
K. Maj. (ich kann dies mit Belegen dartun); und nicht bloß die Rhein— 
länder, sondern auch viele andere beklagten es, daß Ew. K. Maj. bei solcher 
Veranlassung von der Höhe des Thrones zwischen die Parteien getreten 
waren.“*) Die Bitte des Landtags wurde verdientermaßen abgeschlagen. 
Savigny hatte einen strengen Tadel beantragt gegen diese Partikularisten, 
die statt eines verbesserten deutschen Strafrechts vielmehr ein neues fran- 
zösisches Recht forderten;*) und demgemäß sagte der Landtags-Abschied 
schneidend: „Den Antrag der Stände weisen Wir um so entschiedener 
zurück, da Wir es Uns zu einer Hauptaufgabe gestellt haben, deutsches 
Wesen und deutschen Sinn in jeder Richtung zu stärken.“ 
Je weniger Gesetze die Krone vorlegte, um so eifriger berieten die 
Landtage über die eingelaufenen Petitionen und zahllose Anträge ihrer 
eigenen Mitglieder. Die Parteistellung der Provinzen war noch die alte. 
Am lautesten sprachen die Preußen, die Rheinländer, die Posener, auch 
die Bürger und Bauern Schlesiens traten schon sehr kräftig auf; schwächer 
zeigte sich die liberale Stimmung in Westfalen, ganz schwach in Pom- 
mern, Brandenburg und seltsamerweise auch in der Provinz Sachsen, 
deren Oppositionslust noch völlig in den kirchlichen Streitigkeiten aufging. 
Der Antrag auf Einführung von Reichsständen erlangte nur in zwei 
Provinzen die vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit. Die Preußen und die 
Rheinländer wagten aber schon, der Krone den Weg vorzuzeichnen, der 
nach allem, was geschehen, als der einfachste erschien; sie baten, der König 
möge den vereinigten Ausschüssen die Rechte der Reichsstände zuweisen 
und also den Verfassungsbau abschließen. Dazu dann Bitten um Preß- 
freiheit, um mündliches Gerichtsverfahren, um Offentlichkeit der Provin- 
ziallandtage und der Stadtverordneten-Versammlungen, um Aufhebung 
der Patrimonialgerichte, um Vermehrung der städtischen und bäuerlichen 
Abgeordneten, um Erweiterung des Wahlrechts, um Emanzipation der 
Juden, — und so weiter in endloser Reihe, lauter Herzenswünsche des 
liberalen Bürgertums, manche in vier, fünf Landtagen fast gleichlautend 
ausgesprochen. 
Als Arnim dies Chaos überblickte, da konnte er sich schwerer Besorgnisse 
nicht erwehren und er gab der ständischen Immediatkommission zu er- 
wägen, ob man nicht das so gröblich mißbrauchte Petitionsrecht der Land- 
tage einschränken, den Druck ihrer Protokolle scharf überwachen und anderer- 
seits zur Belehrung des Volks, die Gesetzentwürfe immer rechtzeitig, vor 
  
*) Graf Arnim, Bericht an den König, 26. Mai 1844. 
**) Savigny, Entwurf zu einem Bescheide an den Rheinischen Landtag, Nov. 1843.
	        
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