Der Zustand der preußischen Bistümer. 277
lichen Pläne. Noch niemals seit dem Niedergange der alten Aufklärung
war Deutschland an fruchtbaren religiösen Ideen so arm gewesen wie in
diesem Jahrzehnt unablässigen kirchlichen Streites.
Tragisches Schicksal, daß Friedrich Wilhelm in solcher Zeit das Ideal
seines christlichen Staates zu verwirklichen unternahm. Zuvörderst wünschte
er die Versöhnung mit dem Papste. Schon längst hatte er sich ein holdes
Phantasiebild von der römischen Kirche ersonnen, das die landläufigen
Selbsttäuschungen der gläubigen Protestanten unseres Nordostens noch
weit überbot. Er glaubte fest, seit den Westfälischen Friedensschlüssen
würde die Parität der Bekenntnisse in Deutschland von allen Seiten ehr-
lich anerkannt, und vergaß die allbekannte Tatsache, daß der römische
Stuhl jene Friedensschlüsse wieder und wieder feierlich verdammt hatte.
Bei dem hohen Stande der Volksbildung hielt er eine ernste Störung
des konfessionellen Friedens nicht mehr für möglich, obwohl die Kurie
soeben erst, bei dem Streite über die gemischten Ehen, unzweideutig be-
wiesen hatte, daß sie die evangelischen Christen nach wie vor als unreine
Ketzer ansah. Daß die römische Klerisei je wieder in die Verweltlichung
früherer Zeiten zurückfallen könnte, schien ihm undenkbar; und doch weis-
sagten die französischen Klerikalen bereits — was sich auch wörtlich er-
füllen sollte: — ihre von der Revolution ausgeplünderte Kirche würde jetzt
in einem Jahrhundert mehr Reichtümer gewinnen, als sie vordem in
sechzehnhundert Jahren erworben hätte. Auch die Mirakel, die Wallfahrten,
die Ausstellung der Reliquien betrachtete der König nur als überlebte
Mißbräuche, deren sich die römische Kirche bald ganz entledigen würde,
obgleich sie augenscheinlich von Jahr zu Jahr mehr überhandnahmen. Vor
den Bischöfen endlich hegte er eine tiefe, stille Verehrung; denn das ließ
er sich nicht nehmen, daß dies heilige Amt durch die mystische Weihe der
Handauflegung in gerader Linie von den Aposteln selbst herstammte. Voll
arglosen Vertrauens trat er also an den Bischofsstreit heran und beschloß,
da in der Tat kein anderer Ausweg mehr blieb, mit dem Vatikan
unmittelbar zu verhandeln.
Als er den Thron bestieg, befand sich die volle Hälfte der preußischen
Bistümer in einem unsicheren Zustande, der nur durch das Einverständ-
nis der weltlichen und der geistlichen Gewalt gebessert werden konnte.
Droste-Vischering und Dunin waren noch aus ihren Dihzesen entfernt.
In Trier hatte das Kapitel den Domherrn Arnoldi zum Bischof gewählt,
der alte König aber die unzweifelhaft gesetzwidrige Wahl nicht genehmigt.
In Breslau endlich war Fürstbischof Sedlnitzky, weil er die Gesetze
des Staates befolgt hatte, vom Papste zur Abdankung aufgefordert wor-
den, und es stand der Krone noch frei, den treuen Prälaten gegen eine
so willkürliche Zumutung zu beschützen. Diese Fülle von Streitpunkten
konnte dem Staate zum Vorteile gereichen, wenn er alle seine Karten
vorsichtig in der Hand behielt und sich der alten Wahrheit erinnerte, daß