314 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
der Katholiken; dies Wetzlarer Kind schien gar nicht mehr zu wissen, daß
der Name „katholisch“ noch vor vierzig Jahren durch die alten Reichs-
gesetze verboten gewesen war, während der Name des Corpus Evan-
gelicorum amtliche Geltung hatte. Und diese kleinlichen Bedrückungen
der Protestanten währten noch jahrelang fort unter demselben Könige,
der eben jetzt, nach dem Vorbilde seines preußischen Schwagers, den Ver-
kehr der Bischöfe mit dem römischen Stuhle freigab.
Die heftigsten Beschwerden richteten sich aber gegen die den evan-
gelischen Soldaten aufgezwungene Kniebeugung, eine unbegreiflich ge-
hässige Neuerung, die sich wohl nur aus einer phantastischen Schrulle des
Königs erklärte; Ludwig hatte einen begeisterten Zeitungsbericht über eine
prächtige Kirchenfeier der französischen Truppen in Algier gelesen und
meinte nichts Arges zu tun, wenn er ähnliche Zeremonien auch in seinem
Heere einführte. Er bedachte nicht, welche widerwärtigen Erinnerungen der
Wittelsbachischen Geschichte er damit wieder aufrührte; durch denselben
Kniebeugungszwang hatte ja vor hundertundzwanzig Jahren Pfalzgraf
Johann Philipp seine treuen Heidelberger dermaßen erbittert, daß er sich
gezwungen sah, nach Mannheim überzusiedeln. Auch jetzt war der Unwille
in der evangelischen Welt allgemein. Die Protestanten im Herzogtum
Berg gedachten wieder der pfalzbayrischen Zeiten und des wirksamen
Schutzes, den ihre Vorfahren stets bei Kurbrandenburg gefunden hatten.
Ihre Kreissynoden, voran die Düsseldorfer, baten schon 1839 den König
von Preußen um seine Vermittlung beim Münchener Hofe, was der alte
Herr als gänzlich nutzlos ablehnte. In mehreren bayrischen Garnisonen
kam es zu bedenklichen Auftritten; viele protestantische Offiziere und
Soldaten erklärten, sie würden die schwere Sünde der Anbetung der Krea-
tur auf sich laden, wenn sie vor dem Allerheiligsten niederknieten. Selbst
Diepenbrock und manche andere wohlmeinende katholische Priester gestanden
zu, daß die Protestanten hier das klare Recht für sich hätten.
Unterdessen verwendete sich auch Graf Karl Giech, der einzige Protestant
unter den Regierungspräsidenten, nachdrücklich für seine Glaubensgenossen,
und da ihn Abel schnöde abfertigte, nahm er seinen Abschied. Vor dem
Könige rechtfertigte er sich durch eine ehrerbietige Denkschrift, die unumwun-
den alle Sünden des Abelschen Regimentes aufzählte: wie die Protestanten
schon anfingen an der Gerechtigkeit der Krone zu zweifeln, die Kreisregie-
rungen, dank dem Erübrigungssysteme, mit ihren ungenügenden Arbeits-
kräften die wachsende Geschäftslast nicht mehr bewältigen könnten, die Be-
amten und die Lehrer bei übervollen Staatskassen darben müßten..) Des
Staatsdienstes entledigt ließ Giech sodann in Württemberg ein Büchlein über
*) Gf. K. Giech, Darlegung der Motive meines Austritts aus dem Staatsdienste,
Nürnberg, 12. Sept. 1840, lithographiert; späterhin abgedruckt in General v. Asters
Betrachtungen und Urteilen (herausgegeben v. Eilers, Saarbrücken 1858) I. 251.