Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Beschwerden der Protestanten. Abel und Wallerstein. 315 
die Kniebeugung der Protestanten erscheinen, das in Bayern sofort ver- 
boten, aber eifrig gelesen wurde. Nachher erbte er von seinem Bruder, 
dem Schwiegersohne Steins die Standesherrschaft Thurnau und blieb 
fortan viele Jahre lang eine Zierde des fränkischen Adels, vornehm zugleich 
und leutselig, feingebildet und lebenskundig, königstreu und freimütig. 
Der König nahm die Beschwerden der protestantischen Abgeordneten 
freundlich auf; doch merkte man ihm an, daß er nicht recht daran glaubte. 
Er meinte, die Katholiken könnten sich freuen, wenn sie in protestantischen 
Ländern ebenso gut behandelt würden, wie die Protestanten in Bayern. 
Sein Adel hatte ihm vorgespiegelt, hinter allen diesen Klagen verstecke sich 
nur die liberale Opposition.) Während die zweite Kammer fast jedem 
Streite behutsam auswich, begann sich unter den Reichsräten ein uner- 
warteter Widerstand zu regen. In einem Vierteljahrhundert parlamen- 
tarischen Lebens waren manche konstitutionelle Rechtsgrundsätze selbst diesem 
hochkonservativen Adel in Fleisch und Blut gedrungen; die Reichsräte 
klagten, jede Prüfung des Staatshaushalts würde zum leeren Schein, so- 
lange die Regierung mit den Erübrigungen nach Gutdünken schalte. Zu- 
dem pflegte Abel mit herausforderndem Übermut doktrinäre politische 
Sätze aufzustellen, die das süddeutsche Gefühl verletzten; er donnerte wider 
den modernen Staatsbegriff, er wollte den Namen Staatsministerium 
nicht hören, da man hierzulande nur königliche Minister kenne; er be- 
hauptete, die bayrische Verfassung sei ständisch, nicht repräsentativ, obwohl 
ihre Urheber von diesem neuerfundenen Unterschiede noch gar nichts ge- 
wußt hatten. 
Bei den Streitigkeiten. die sich aus solchen Anlässen ergaben, hielt 
Abels Amtsvorgänger immer die Hand im Spiele, Fürst Oettingen-Waller- 
stein, der einst als Abels Vorgesetzter von diesem tief untertänige Briefe 
empfangen hatte 27), jetzt aber, seit des Königs Ungnade auf ihm lastete, 
um so gröber behandelt wurde. In der Schlußsitzung der zweiten Kammer 
(10. April 1840) ließ sich Abel endlich zu einem Wutausbruche hinreißen, 
dessengleichen die deutschen Ständesäle noch nicht erlebt hatten. Die Ab- 
wesenheit Wallersteins unritterlich mißbrauchend, sprach er von den Schand- 
taten dieses tief gesunkenen Individuums und schmähte so unbändig, daß 
die Reichsräte sofort ihre Entrüstung über die unwürdige Beschimpfung 
ihres Mitgliedes feierlich aussprachen. Der preußische Gesandte meinte: 
nach einem solchen Vorfall müsse Abel unfehlbar zurücktreten; denn „die 
wahren monarchischen Grundsätze können nicht gewinnen, wenn sie ver- 
teidigt werden durch die religiöse und politische Heuchelei, ohne Redlichkeit 
und Gradsinn, ohne Anstand und Würde.““““) Es kam anders. Derweil 
der Landtag sich auflöste, traten der frühere und der gegenwärtige Minister 
*) Dönhoffs Bericht, 10. März 1840. 
**) Abel an Wallerstein, 1. Jan. 1837. 
*"*) Dönhoffs Bericht, 12. April 1840. 
 
	        
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