Canitz. Gröben. Die Gebrüder Gerlach. 25
den Argwohn der Demagogenverfolger erregte.“) Die enthusiastische Kreuz-
fahrergesinnung jener frommen Tage bewahrte er sein Leben lang. Was
ihm an politischem Urteil abging, ersetzte er durch unverbrüchliche Treue
gegen seinen christlichen König und durch eine allgemeine Menschenliebe,
welche Gerechte und Ungerechte so ohne jeden Unterschied sanftmütig um—
faßte, daß Königin Elisabeth einmal sagte: der gute Gröben wird uns
nächstens von dem lieben, vortrefflichen Nero sprechen.
Während Gröben nur das ritterliche Gefühl unbedingter Königstreue
hegte, waren die drei Brüder v. Gerlach erklärte Hallerianer. Sie
stammten von jenem hochangesehenen alten Kammerpräsidenten, der einst
seine Kurmark gegen die napoleonischen Erpressungen unerschrocken ver-
teidigt, nachher, verstimmt über die Reform der Verwaltung, den Staats-
dienst verlassen und gleich darauf das Oberbürgermeisteramt von Berlin
übernommen hatte.““) Der Mut, die Vaterlandsliebe, die konservative Ge-
sinnung des Vaters vererbten sich auf die Söhne; zwei von ihnen trugen
das eiserne Kreuz. Der zweite Sohn, der Gerichtspräsident Ludwig
war ein gelehrter, scharfsinniger Jurist, gerecht nach oben wie nach
unten, sehr eifersüchtig auf die Unabhängigkeit des Richterstandes. Wie
weit ihn aber sein kirchlicher Feuereifer führen konnte, das hatte er schon
vor Jahren gezeigt, als er die hallischen Rationalisten durch die rücksichts—
lose Veröffentlichung ihrer Katheder-Aussprüche bekämpfte und dafür den
Beifall seines kronprinzlichen Freundes fand. ***) Der christliche Staat,
die freie rechtgläubige Kirche und vornehmlich die Zweiherrschaft der beiden
Großmächte im Deutschen Bunde — diese Ideale standen ihm so uner—
schütterlich fest, daß er sogar die Freunde Radowitz und Canitz wegen ihrer
freieren Ansichten über Osterreich bald als Abtrünnige beargwöhnte und
des radikalen „Germanismus“ beschuldigte. überhaupt urteilte er, wie
sein Bruder Leopold, über politische und kirchliche Gegner mit fanatischer,
unchristlicher Härte; er verhehlte nicht, daß ihm der Gegensatz der Mei—
nungen noch wichtiger schien als selbst der Gegensatz der Nationalitäten.
Von eigenen staatsmännischen Gedanken besaß sein wesentlich kritischer
Geist wenig; er vermochte wohl die Sünden der gottlosen Zeit mit erbar—
mungsloser Schärfe zu geißeln, doch, wenn es sich fragte, was zu tun sei,
dann entdeckten der junge Otto v. Bismarck und die anderen praktischen
Talente unter seinen Anhängern mit Erstaunen, daß der geistreiche Mann
immer nur schulmeisterte und eigentlich an allem zu tadeln fand. Darum
konnte er nur der gefürchtete Schriftsteller der hochkonservativen Partei
werden, niemals ihr Führer. Und wie wenig stimmte doch die unzweifelhaft
ernst gemeinte fromme Salbung seiner mit Bibelsprüchen überladenen poli—
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*) S. o. III. 116.
*) S. o. I. 285.
') S. o. III. 405.