26 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung.
tischen Aufsätze zu dem sprudelnden Witze, der gewinnenden Munterkeit des
liebenswürdigen Gesellschafters. Einige Spuren von diesem Dualismus
altromantischer Ironie zeigten sich auch in dem Charakter des jüngsten
Bruders, des Predigers Otto. Der waltete seines schweren Seelsorger-
amtes unter den Berliner Armen mit apostolischer Hingebung, glaubens-
froh, bibelfest, ein unermüdlicher Tröster und Erbarmer.) Zweimal
trotzte er der angedrohten Amtsentsetzung, weil er leichtfertig Geschiedene
nicht wieder trauen wollte. Und doch geschah es zuweilen zum Entsetzen
der Stillen im Lande, daß er auf der Kanzel schöne Stellen aus Shake-
speare vortrug; so seltsam vermischten sich in diesem geistreichen romanti-
schen Kreise die religiösen und die ästhetischen Ideale.
Am liebsten unter den drei Brüdern war dem Monarchen der älteste,
der General Leopold. Er wurde schon aus seiner Provinzial-Garnison
öfters an das Hoflager gerufen, dann nach Berlin zurückversetzt und dort
bei allen wichtigen Entschließungen zu Rate gezogen; doch täuschte er
sich nicht über seinen Einfluß und gestand offen, keiner der persönlichen
Günstlinge des Königs besitze wirkliche Macht. Seine schönsten Erinne-
rungen hafteten an dem schlesischen Hauptquartiere, dem er mit großer
Auszeichnung angehört hatte;?**) nachher war er lange Adjutant des jün-
geren Prinzen Wilhelm, der ihm auch späterhin, als ihre politischen Wege
sich trennten, stets aufrichtige Hochachtung bewahrte. Ganz und gar kein
Höfling, gab er selbst dem gefürchteten Zaren zur rechten Zeit eine derbe
preußische Antwort; das knechtische Wesen und der schablonenhafte Ord-
nungssinn der Moskowiter blieb ihm tief widerwärtig, obgleich er sie für
Preußens natürliche Verbündete hielt. Das eigentümliche Selbstgefühl des
Nomantikers erging sich gern in kühnen Paradoxen, Napoleon nannte er
einen gutmütigen, übrigens etwas dummen Kerl. In seinen politischen
Ansichten ging der grundgescheite, vielseitig gebildete Offizier fast noch
weiter als sein Bruder Ludwig; unauslöschlichen Haß widmete er dem
Despotismus der Mietlings-Offizianten, zu denen er doch eigentlich selbst
gehörte. An Gottes unmittelbare Einwirkung auf die gekrönten Häupter
glaubte er fest und sagte streng: Prätendenten, die der Allmächtige selbst
aus ihrem hohen Amte gestrichen hat, gehören ins Feldlager oder ins
Kloster, nicht in den Strudel höfischer Genüsse. Indes war auch er in
der Kritik stärker als in eigenen politischen Gedanken.
Eine mächtige Stütze fanden die Brüder an Ludwigs Schwager,
dem Freiherrn Senfft v. Pilsach auf Gramenz, der im Hausministerium
angestellt, auf den Domänen, mit erheblichen Kosten, aber nur selten mit
Erfolg, großartige Entwässerungspläne ausführte. Über seine politische
Wirksamkeit enthalten die amtlichen Papiere fast gar nichts. Gleichwohl
*) S. o. IV. 495.
#*) S. o. I. 477.