Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Triumph der Freihändler. 481 
ihn den Torys verdächtig machte, gefiel unserem noch nicht ganz vom 
Parteigeist beherrschten Volke. In Elbing, wo Prince Smith so lange 
gewirkt hatte, beschloß die Kaufmannschaft, dem Reformer einen Glück— 
wunsch zu senden. Peels Antwort zeigte, daß auch ehrliche Engländer, 
wenn sie mit Ausländern reden, ihren heimatlichen cant schwer aufgeben; 
er schrieb: „so finden wir im Handel das Mittel, die Zivilisation zu be— 
fördern, Eifersucht und nationale Vorurteile zu beschwichtigen und einen 
allgemeinen Frieden herbeizuführen, aus nationalem Interesse sowohl wie 
aus christlicher Pflicht.“ Inzwischen löste Cobden seine Liga auf und 
unternahm eine Triumphreise durch das Festland, um überall den Stamm 
einer internationalen Freihandelspartei anzusammeln. In Deutschland 
wurde der schlichte freundliche Mann sehr herzlich empfangen, am wärmsten 
in Hamburg. Dort feierte, dem großen Briten zu Ehren, der vaterlands— 
lose radikale Freihandel seine Saturnalien. Der Präsident der Kommerz— 
deputation Ruperti ließ „die Erzeugerin jeder anderen Freiheit, die Han— 
delsfreiheit“ hoch leben. Cobden pries die unvergleichliche Handelspolitik 
der Hansen, dann schloß er weihevoll: „lehret eure Nachbarn eurem Bei— 
spiel zu folgen“ — und gewiß konnte England sich Glück wünschen, wenn 
der Zollverein die Bahn hamburgischer Erbweisheit eingeschlagen hätte. 
Tief schmerzlich wurde Friedrich List durch die englischen Nachrichten 
berührt. Er hatte zwar selber, da er ja nur Schutz für die Industrie ver— 
langte, die Kornzölle stets bekämpft; dennoch fürchtete er — mit Unrecht, 
wie sich bald zeigte — die freihändlerische Wendung der britischen Politik 
würde der deutschen Volkswirtschaft Verderben bringen. Während die 
Kornliga ihren Cobden durch eine glänzende Dotation ehrte, belohnten 
die süddeutschen Fabrikanten ihren unermüdlichen Vorkämpfer nur sehr 
kärglich — nicht eigentlich aus Geiz, sondern aus kleinstädtischer Uner- 
fahrenheit, weil man in Deutschland eine solche Agitation kaum erst kannte, 
ihren Wert nicht zu schätzen wußte. Der edle Mann, den alle Gegner 
für bestochen hielten, kämpfte beständig mit Nahrungssorgen, und es 
war einer der vielen tragischen Widersprüche seines stürmischen Lebens, daß 
der Todfeind der Bureaukratie jetzt selbst versuchte, eine Stellung im Be- 
amtentum zu erlangen. Doch in der schwäbischen Heimat wie in Bayern 
speiste man ihn mit schmeichelhaften Worten ab; sein Feuergeist hätte 
sich in der geregelten Beamtentätigkeit auch schwerlich zurechtgefunden. 
So trieb er sich rastlos umher. Einmal kam er auch nach Österreich und 
suchte dann in einem Aufsatze zu erweisen, daß die reichen, dünn be- 
völkerten Länder der ungarischen Krone das natürliche Gebiet für die 
deutsche Auswanderung bildeten — lockende Gedanken, denen nur leider 
jeder historische Boden fehlte; denn die Zeit der großen Ostlandsfahrten 
war längst vorüber, den modernen Menschen trieb der Drang in die 
Ferne nach dem amerikanischen Westen. 
Als die Entscheidung in England herannahte, eilte List nach London, 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 31
	        
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