Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Gesamtstaats-Pläne. Friedrich VII. 587 
ihm besser als das gemessene Wesen der Schleswigholsteiner. Den libe— 
ralen Ideen war er nicht feind, obgleich er eigentlich gar keine politischen 
Grundsätze besaß. Von seinem Vater hatte er nichts geerbt als die 
Furchtsamkeit und die unkriegerischen bequemen Gewohnheiten. Frisch und 
männlich erschien der Schwerfällige nur, sobald er an Bord eines Schiffes 
trat; wenn ihn irgend etwas begeistern konnte, so waren es die Erinne— 
rungen an die Seekönige des Nordens, und das alte Volkslied: König 
Christian stand am hohen Mast! 
Der alte König hatte noch während seiner letzten Krankheit in einem 
langen Briefe seine Ratschläge für die neue Regierung niedergelegt. Der 
Nachfolger zeigte sich zuerst ganz als guter Sohn; er ernannte, nach des 
Vaters Wunsche, den Grafen Carl Moltke zum Staatsminister und ver— 
kündete durch ein Manifest alsbald den Entschluß, die von seinem Vor— 
gänger „beabsichtigte Ordnung der öffentlichen Verhältnisse zu Ende zu 
bringen“. Die den politischen Verbrechern gewährte Amnestie mußte den 
Herzogtümern freilich wie Hohn klingen, weil dort keiner der zahlreichen 
Prozesse zu einer Verurteilung geführt hatte. Aber schon am 28. Jan. be- 
rief ein königliches Kanzlei-Patent 52 erfahrene Männer, je 26 aus dem 
Königreiche und aus Schleswigholstein, nach der Hauptstadt, um ihr Gut— 
achten abzugeben über die Gesamtstaatsverfassung des verstorbenen Mon— 
archen. Sechzehn davon ernannte der König selbst, die übrigen wurden vom 
Lande erwählt. Auch die Form war klug berechnet; das Patent sprach 
immer nur von „Unserem Königreich Dänemark und Unseren Herzog— 
tümern Schleswig und Holstein“, es schien also die staatsrechtliche Ver— 
bindung der beiden deutschen Lande stillschweigend anzuerkennen. Der Ver— 
fassungsplan schloß sich eng an das Vorbild Preußens an; die Provinzial- 
landtage blieben erhalten, doch über ihnen stand künftighin ein Gesamt- 
staats-Reichstag, der, bald im Königreiche, bald in den Herzogtümern ta- 
gend, über gemeinsame Gesetze und neue Steuern frei beschließen sollte. 
Es war das letzte Meisterstück des listigen alten Königs. Die scheinbare 
Gleichstellung der beiden ungleichen Hälften des Gesamtstaats sollte den 
Deutschen schmeicheln; und doch konnte die Krone hoffen, durch ihre sech- 
zehn Vertrauensmänner sowohl die Schleswigholsteiner wie die radikalen 
Eiderdänen niederzuhalten. Hätte König Christian noch gelebt, so war 
ein Erfolg, freilich nur für den Augenblick, vielleicht denkbar. Doch 
was ließ sich jetzt erwarten, unter einem Monarchen, dem die Dänen 
niemals Achtung, die Deutschen niemals Vertrauen schenken konnten? 
Sowie der alte König die Augen geschlossen hatte, trat die Kopenhage- 
ner Demokratie höchst ungebärdig auf. Eine Schrift der Professoren Clau- 
sen und Schouw verkündete sofort in ungestümer, drohender Sprache das 
eiderdänische Programm: Danisierung Schleswigs, Abtrennung Holsteins. 
Eine Versammlung von Stadtvertretern, die der alte Heißsporn Etatsrat 
Hvidt berufen hatte, sendete dem neuen Herrscher eine Deputation ins
	        
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