Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Mecklenburg. Sachsen. 671 
guten Gründen, aber noch ganz vergeblich die vollständige Teilnahme an 
allen landständischen Rechten, die ihnen vom Adel bestritten wurde; und 
tief bekümmert klagte der alte Großherzog Georg von Strelitz seinem 
preußischen Neffen: „Sie wissen, daß unsere bürgerlichen Gutsbesitzer 
leider — wenigstens die bedeutende Mehrzahl derselben — zu der libe— 
ralen Partei gehören, welche immer mehr und mehr und um so schmerz— 
licher hervortritt, als die Fortschritte, die wir in wünschenswerten Dingen 
machen, keineswegs gleichen Schritt mit diesem sogenannten Fortschritt 
halten.“*) Die Sache der Bürgerlichen führte sehr würdig der Rostocker 
Germanist Georg Beseler, der Bruder des Schleswigholsteiners, für den 
Adel schrieb mit gewohnter Derbheit der alte Minister Kamptz, der den 
mecklenburgischen Edelmann nie vergessen konnte. Was dieser Adel unter 
wünschenswertem Fortschritt verstand, das zeigte ein Landtagsbeschluß, 
der die beiden Serenissimi um Preßfreiheit bat, weil die Frechheit der 
liberalen Zeitungen nicht durch schlaffe Zensur, sondern nur durch emp- 
findliche Strafen bekämpft werden könne. 
Ein ganz anderes und doch auch ein unheimliches Bild boten die 
sächsischen Zustände. Der gute König Friedrich August bemühte sich red- 
lich, den inneren Frieden wiederherzustellen, und von schwerem Druck ließ 
sich, einige Zeitungsverbote abgerechnet, auch nichts spüren. Aber der un- 
selige Leipziger Straßenkampf hatte im Volke sehr viel Groll zurückge- 
lassen. Die Opposition im Landtage, die von der nationalen Gesinnung 
des süddeutschen Liberalismus wenig besaß, bemühte sich, was ihr an Ta- 
lent fehlte, durch ungeschliffene Grobheit zu ersetzen; sie hintertrieb die 
dringend nötige, durch das Bundesgesetz gebotene Organisation der Armee- 
reserve, sie verlangte wiederholt, daß die Truppen auf die Verfassung ver- 
eidigt werden müßten, und suchte durch kleinliche, oft lächerliche Beschwer- 
den die Soldaten gegen ihre Vorgesetzten aufzuwiegeln. Ihrer besonderen 
Gunst erfreuten sich die Turnvereine, die in Sachsen bald ganz dem Radi- 
kalismus anheimfielen und zu einer Pflanzschule des Barrikadenkampfes 
wurden. Der Vorschlag, die militärische Volkserziehung durch die Turnerei 
zu ersetzen — ein Gedanke, dem der Prinz von Preußen sogar im preußi- 
schen Staatsministerium hatte entgegentreten müssen — war hierzulande 
gang und gäbe. Einmal ließ der Kriegsminister Nostitz-Wallwitz, ein kurz 
angebundener Soldat, ein Kommißbrot geradeswegs aus der Kaserne in die 
Kammersitzung bringen und zwang die Liberalen, sich persönlich von der 
Schmackhaftigkeit dieses unmäßig gescholtenen Leckerbissens zu überzeugen. 
Das war ein Lichtblick in dem unerquicklichen Einerlei dieser aufge- 
regten und doch inhaltlosen Landtagsverhandlungen. Unterdessen wuchs 
im Volke, gefördert durch Robert Blum und die Unzahl der Advokaten, 
eine unklare radikale Verstimmung, und auch in dem stillen Thüringen 
  
*) Großherzog Georg v. Strelitz an König Friedrich Wilhelm, 23. Sept. 1844.
	        
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