Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

XXX. Römische Verhandlungen des Grafen Brühl. 763 
XXX. Römische Verhandlungen des Grafen Brühl. 
Zu Bd. V. S. 278 ff. 
In E. Friedbergs lehrreicher Schrift: Die Grundlagen der preußischen Kirchen- 
politik unter König Friedrich Wilhelm IV., Leipzig 1882, sind die preußisch-römischen 
Verhandlungen der Jahre 1840 und 41 zum ersten Male auf Grund authentischer Akten- 
stücke dargestellt worden. Der Verfasser kannte aber nur einen Teil der Quellen. Durch 
ein hochherziges Vertrauen, das mich zu warmem Danke verpflichtet, habe ich nun den 
gesamten politischen Nachlaß des Grafen Brühl, soweit er sich auf die drei römischen 
Sendungen bezieht, kennen gelernt; demnach konnte ich die Erzählung Friedbergs in 
mancher Hinsicht ergänzen. Alles Wesentliche ist im Texte schon gesagt; nur einige kleine 
Züge, welche die Darstellung zu sehr belastet hätten, gebe ich hier noch an 
Graf Brühl gewann im Vatikan sofort einen sehr ungünstigen Eindruck von der 
Stellung seiner Krone und sagte schon am Schlusse seines ersten Berichtes (20. Aug. 
1840): „Rom hat offenbar gewonnen, hat sich durch die Meinungen erkräftigt und will 
das Erlangte nicht verletzen; Preußen hat verloren, will aber den Schein retten.“ Er 
bemerkte alsbald, daß der leidenschaftliche Lambruschini vor allen anderen die feind- 
seligen Kleriker in Deutschland haßte: so die Hermesianer, die doch bei der preußischen 
Krone gar nichts mehr galten, so das ruchlose, „infame“ Kölner Domkapitel, das seinen- 
Oberhirten verraten hätte, so den milden Sedlnitzky, der von jeher ein schlechter Katholik 
gewesen sei. Für die willkürliche Behandlung des Breslauer Fürstbischofs sollte Brühl 
sofort kategorisch eine Genugtuung verlangen; er wagte es aber nicht, weil er, leider 
mit Recht, fürchtete, dann die ganze Verhandlung zu verderben (Bericht v. 21. Aug. 
1840), und weil einem Prälaten, der sich selber aufgab, von Staats wegen nicht mehr 
zu helfen war. Von dem neuen Könige sprachen die Monsignoren alle mit vertrauens- 
voller Verehrung; Lambruschini sagte feierlich: sollte Frankreich je die Revolution an 
den Rhein tragen, dann wird Rom seine Schuldigkeit tun, und ich selbst werde mit dem 
Kreuze in der Hand erscheinen (Bericht v. 4. Sept. 1840). Gegen „die sogenannten 
Ratgeber“ Friedrich Wilhelms aber hegten die Kardinäle ein tiefes Mißtrauen, Eich- 
horn galt ihnen offenbar nicht mehr als Altenstein. Wie seltsam die Zeiten sich geändert 
hatten, das zeigte namentlich Lambruschinis glühender Haß gegen Niebuhr, der doch 
einst mit Papst Pius und Consalvi so friedlich ausgekommen war. Dem großen Histo- 
riker konnte man im neuen Rom gar nicht verzeihen, daß er einst die Listenwahl für die 
Bistümer abgelehnt und seiner Krone das Recht der Exclusiva gesichert hatte. Leider 
hatte die Krone dies wertvolle Recht mit unbegreiflicher Torheit gehandhabt, ihren Tod- 
feind selbst auf den Kölnischen Stuhl berufen; und Brühl konnte nur wenig einwenden, 
als Lambruschini ihm später höhnisch vorhielt: „Droste war eine Kreatur der könig- 
lichen Regierung“ und hätte bei freier kanonischer Wahl die erzbischöfliche Würde nie 
erlangt! (Bericht vom 30. Dez. 1840.) 
Sehr deutlich verriet Lambruschini gleich in den ersten Gesprächen den Wunsch 
der Kurie, daß Preußen einen katholischen Gesandten nach Rom schicken möge. Dem 
konnte der treue Freund des Königs unmöglich beipflichten. Brühl meinte, ein Kleri- 
kaler würde an solcher Stelle ganz für den Vatikan gewonnen, ein freisinniger Katholik 
bald unhaltbar werden (Brühls Notizen zum Bericht v. 21. Aug. 1840). Noch weit leb- 
hafter, in mannigfachen Wendungen, befürworteten die Kardinäle den Vorschlag, 
Preußen möge in Berlin einen beglaubigten päpstlichen Residenten zulassen, der natürlich 
nur der Vorläufer eines Nuntius sein sollte. Die Gründe, welche der milde Kardinal 
Capaccini dafür anführte, ließen sich wohl hören. Er sagte ganz richtig: was wir heute 
hier über Preußen erfahren, stammt nur aus Zeitungsartikeln oder aus gehässigen, oft 
schmutzigen Denunziationen (Nachtrag zum Bericht v. 3. Sept. 1840). Die großen Be- 
denken aber, welche sich aus Preußens verwickelten Parteiverhältnissen ergaben, waren
	        
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