8 2. Staatsgebiet. Stellung zum Reich. 7
Bürgerschaft zu ändern. Andererseits stellte sich auch die Nothwendigkeit heraus, die
Wahlart der rechtsgelehrten Richter, die bis dahin zwar vom Senat, aber aus bindenden
Wahlaufsätzen der Gerichte gewählt wurden, zu ändern. So gelang denn eine Verstän—
digung dahin, daß dem Senat freie Wahl der Richter zugestanden wurde, dagegen statt
der Gerichte und Verwaltungsbehörden einem aus allen jetzigen und früheren Mitgliedern
derselben zusammengesetzten Wahlkörper die Wahl einer Anzahl von Bürgerschaftsmit—
gliedern übertragen und auch bei der Wahl der Mitglieder der Verwaltungsdeputationen
eine Modifikation eingeführt wurde. Die übrigen nicht sehr tief eingreifenden Modifi—
kationen verursachten geringere Schwierigkeiten und so konnte am 13. Oktober 1879 die
revidirte Verfassung publicirt werden und am 4. März 1880, nachdem die Bürgerschaft
aufgelöst und durch eine neugewählte ersetzt war, mit dem Zusammentritt der neuen Bür-
gerschaft ins Leben treten!?.
§ 2. Staatsgebiet. Stellung zum Reich. I. Die „freie Hansestadt Hamburg“
ist ein selbstständiger Staat des deutschen Reiches. Sie besteht aus der Stadt Hamburg
mit der dazu gehörigen Vorstadt St. Pauli und den Vororten, d. h. städtisch bebauten
und bewohnten Ortschaften in der Nähe der Stadt, und den übrigen Theilen des Lan-
desgebietes, nämlich den Geestlanden, den Marschlanden, der Landherrenschaft Ritzebüttel
mit dem Flecken Cuxhaven und der Landherrenschaft Bergedorf mit dem gleichnamigen
Städtchen. Auf dem 6⅞ Quadratmeilen oder 387¼ qkm. betragenden Staatsgebiet
wohnten nach der Zählung des Jahres 1880 453 869 Menschen, von denen 286 589 auf
die Stadt und Vorstadt und 120 268 auf die Vororte kommen.
II. Hamburg führt im Bundesrath eine Stimme. Den Bevollmächtigten zum
Bundesrath ernennt der Senat, der demselben auch seine Instruktionen ertheilt. Ueber-
haupt wird der Staat in seinem Verhältniß zum deutschen Reiche durch den Senat ver-
treten (Art. 22 der Verfassung). Zum Reichstag wählt Hamburg drei Abgeordnete, zu
welchem Zwecke das ganze Staatsgebiet in drei Wahlkreise eingetheilt ist, von denen die
Stadt nebst der Vorstadt St. Pauli zwei und das übrige Gebiet den dritten bilden.
Nach Art. 34 der Reichsverfassung bleibt die Hansestadt Hamburg mit einem dem
Zwecke entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes als Freihafen außer-
halb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragt. Die
Bestimmung darüber, wie weit der Zweck der Erhaltung des Freihafens es erfordert,
einzelne Gebietstheile mit der Stadt außerhalb der Zollgrenze zu belassen, ist Sache des
Bundesraths und ihm allein steht die Entscheidung darüber zu, wenn auch dem bundes-
freundlichen Verhältniß entsprechend die desfallsigen Beschlüsse thunlichst in Uebereinstim-
mung mit der Hamburgischen Regierung gefaßt werden. In dieser Weise wurden in den
Jahren 1868 und 1869 auf Grund der Vorschläge einer aus Commissarien des Bundes-
raths und einem Commissar Hamburgs bestehenden Vollzugs-Commission diejenigen Ge-
bietstheile bestimmt, welche in die Zollgrenze eingeschlossen werden sollten ). Durch eine
zwischen Preußen und Hamburg am 3. Oktober 1868 abgeschlossene Vereinbarung ?) ist
die Zollverwaltung in diesen Gebietstheilen, die nach Art. 36 der Reichsverfassung Ham-
burg selbst zustehen würde, von Preußen übernommen und steht dieselbe theilweise unter
der Provinzial-Steuer-Direktion von Hannover und theilweise unter der von Schleswig-
Holstein. Dagegen bildet der Ausschluß der Stadt selbst und der zu ihr gehörenden Vor-
stadt St. Pauli aus der Zollgrenze den Inhalt eines, dem Staate zustehenden Sonder-
1) Gesetzsammlung B. 16. p. 37.
2) S. Gesetzsammlung für Hamburg B. 4 p. 1. 120. B. 5 p. 372. — Ueber die Sicherung
der Zollvereinsgrenze in den von dem Zollverein ausgeschlossenen hamburgischen Gebietstheilen
bestimmt das Reichsgesetz vom 1. Juli 1869. R.G.B. 1869. S. 370 Nr. 325. ·
3) S. hamburgische Gesetzsammlung B. 4. p. 246.