84. Der Senat. 11
Zur Erwerbung des Bürgerrechtes ist jeder Reichsangehörige berechtigt, Nichtdeutsche
können nach Ermessen der Behörde, in der Regel erst nach fünfjährigem Aufenthalt im
Hamburgischen Staate zugelassen werden. Beide Kategorien haben vor der Zulassung
den durch Gesetz vom 28. September 1860 1) normirten Eid zu leisten und eine Stempel-
gebühr von M. 30 zu zahlen. Verpflichtet zur Erwerbung des Bürgerrechtes sind die-
jenigen Staatsangehörigen, welche von einem Einkommen von M. 3600 besteuert sind,
mit Ausnahme der Geistlichen und Militärpersonen.
Auch die jetzige Verfassung enthält in ihrem Art. 6 die Bestimmung, daß die höchste
Staatsgewalt dem Senate und der Bürgerschaft gemeinschaftlich zu-
steht. Demzufolge ist auch jetzt das Verhältniß zwischen Senat und Bürgerschaft nicht so
aufzufassen, als ob dem Ersteren allein die durch die Befugnisse der Letzteren be-
schränkte Souveränität zustehe. Vielmehr stehen sich beide Körperschaften, der lebensläng-
liche Senat und die auf eine verfassungsmäßig bestimmte Zeit gewählte Bürgerschaft, die
vom Senat, weder vertagt noch aufgelöst werden kann, selbstständig und im Wesentlichen
unabhängig von einander gegenüber. Andererseits ist die Theilung der Gewalten in der
Verfassung so streng durchgeführt und sind die Befugnisse jeder einzelnen dieser Körper-
schaften so genau definirt, daß jenem allgemeinen Fundamentalsatz der Verfassung jetzt mehr
eine dogmatische als eine über die positiven Bestimmungen der Verfassung hinaus praktisch
verwerthbare Bedeutung zuzugestehen ist. Derselbe Artikel 6 enthält die Bestimmung, daß
die gesetzgebende Gewalt von Senat und Bürgerschaft, die vollziehende vom Senat, die
richterliche von den Gerichten ausgeübt wird. Dem entsprechend gebühren dem Senat
alle diejenigen Attribute, welche üblicher Weise mit dem Begriff der Regierung verbunden
zu sein pflegen. In die gesetzgebende Gewalt theilt er sich mit der Bürgerschaft, so daß
jedem der beiden Faktoren auf diesem Gebiet die gleiche Machtvollkommenheit zusteht.
Für die richterliche Funktion folgt aus dieser Auffassung, daß sie nicht im Namen der
Regierung, sondern von den Gerichten kraft ihrer verfassungsmäßig selbstständigen Stellung
ausgeübt wird. Die Urtheile Hamburgischer Gerichte enthalten deßhalb auch keine Wen-
dung, welche der Eingangsformel, deren sich die Gerichte in deutschen Monarchieen zu
bedienen pflegen, („Im Namen des Königs"“ u. s. w.) entspricht. Aber auch dieser Unter-
schied hat angesichts der unabhängigen Stellung deutscher Gerichte auf Grundlage des
deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes, des dem Senat zustehenden Rechtes, die Richter zu
wählen und des ihm verfassungsmäßig zustehenden Aufsichtsrechtes über die Gerichte keine,
sich im Rechtsleben selbst geltend machende Verschiedenheit zur Folge.
§8 4. Der Senat. Der Senat besteht aus achtzehn Mitgliedern, von denen neun
Jurisprudenz oder Cameralia studirt haben und mindestens sieben dem Kaufmannsstande
angehören, aber nicht nothwendig noch im Geschäft thätige Kaufleute sein müssen, so daß
für andere Berufsstände nur zwei Stellen übrig bleiben, die aber in der Regel auch mit
daß in landesgesetzlichen Vorschriften über Materien, welche nicht in letzterem behandelt sind, die
Strafe der Entziehung öffentlicher Aemter angedroht wird. — Dasselbe gilt nach § 31 Abs. 2 des
Strafgesetzbuches für die Rechtsanwaltschaft, die im Sinne „dieses Gesetzes“, also doch auch un-
zweifelhaft des Einführungsgesetzes zu demselben als öffentliches Amt zu betrachten ist. — Ebenso
für das Notariat, das übrigens ganz der Landesgesetzgebung unterworfen ist. — Die Bestimmung
des § 1 Abs. 2 des hamburgischen Gesetzes betreffend das Verhältniß der Verwaltung zur Rechts-
pflege vom 23. April 1879, Gesetzsammlung p. 110, welche die Entscheidung der Frage, ob Jemandem
staatsbürgerliche Rechte zustehen, und ob Jemand zur Annahme und Fortsetzung eines bürgerlichen
Ehrenamtes verpflichtet ist, der richterlichen Entscheidung entzieht, hat keinen Bezug auf die Frage,
ob Jemand wegen Weigerung der Annahme eines Ehrenamtes seines Bürgerrechtes und seiner
Aemter verlustig zu erklären ist. Diese Frage ist immer strafrechtlicher Natur und bedarf richter-
licher Entscheidung.
1) Sammlung hamburgischer Verordnungen B. 29 p. 136.
2) Zweiter Abschnitt der Verfassung Art. 7—27. — Gesetz über die Wahl und Organisation
des Senates vom 28. September 1860. Sammlung der Verordnungen B. 29 p. 125.