14 Wolffson, Das Staatsrecht der freien und Hansestadt Hamburg. 84.
den präsidirenden Bürgermeister, in erheblichen Fällen in Gemeinschaft mit dem stellver-
tretenden Bürgermeister, unter Vorbehalt der Berufung an den Senat. Nach der Ver-
fassung vom 28. September 1860 sollte die Geschäftsordnung des Senates durch die Ge-
setzgebung festgestellt werden, was aber unterblieben ist. Die jetzige Verfassung hat da-
durch, daß sie diese Geschäftsordnung aus dem Verzeichniß der, der Gesetzgebung zuge-
wiesenen Gegenstände beseitigt hat, dem Senat allein die Beschlußfassung darüber über-
lassen.
Der Senat bedient sich eines, niemals zum Beschluß erhobenen, geschweige denn publicir-
ten Entwurfes einer Geschäftsordnung, die sich vorzugsweise mit der Vertheilung der Geschäfte
und den Befugnissen des Präsidiums beschäftigt. Vemerkenswerth ist, daß dazu geeignete An-
gelegenheiten einzelnen, aus mindestens fünf Senatoren bestehenden Abtheilungen, deren Beschlüsse
als Senatsbeschlüsse betrachtet werden, überwiesen werden können, daß aber bestimmt bezeichnete
Gegenstände, namentlich Gegenstände der Verhandlung mit der Bürgerschaft und dem Bürger-
ausschuß, Erlaß von Verordnungen und Bekanntmachungen, Verwendung von Staatsmitteln,
Gnadengesuche bei erheblicheren Strafen, Wahlen u. s. w. nur im Plenum zu erledigen sind.
Der Senat beschließt mit absoluter Majorität. Bei andauernder Stimmengleichheit entscheidet
in der Regel die Stimme des Präsidenten und bei Gnaden= und Dispensationssachen bleibt die
mildere Ansicht maßgebend.
Der Senat vertritt den Staat in seinem Verhältniß zum Deutschen Reich und
beschließt über die Beziehungen des Staates zum Deutschen Reiche, ernennt die Bundes-
bevollmächtigten und ertheilt denselben ihre Instruktionen, ohne an die Zustimmung der
Bürgerschaft gebunden zu sein, sofern es sich nicht bei der Verhandlung über reichsver-
fassungsmäßige Sonderrechte des hamburgischen Staates oder bei Verhandlungen, in denen
derselbe dem Reiche gegenüber als selbstandiger Contrahent steht, um solche Gegenstände
handelt, über die nach der hamburgischen Verfassung nur von Senat und Bürgerschaft
gemeinschaftlich beschlossen werden kann. So verhandelte der Senat mit dem norddeutschen
Bunde in den Jahren 1867 und 1868 über den Anschluß einzelner Theile des Staatsge-
bietes an den Zollverein auf Grund einer ausdrücklichen Ermächtigung der Bürgerschaft .
So wurde ferner für die am 25. Mai 1881 zwischen dem Reich und der Stadt Ham-
burg abgeschlossene Vereinbarung über Modifikation des Art. 34 der Reichsverfassung
die Genehmigung der Bürgerschaft nachgesucht?'). Der Senat vertritt ferner den Staat
in seinem Verhältnisse zum Auslande, leitet die auswärtigen Angelegenheiten, soweit
dieselben zur Zuständigkeit der Einzelstaaten gehören und übt das Recht zur Ernennung
von Bevollmächtigten bei anderen Staaten aus?). Er empfängt die auswärtigen Gesand-
ten, welche bei dem hamburgischen Staate accreditirt sind. Er schließt vorkommendenfalls
die Staatsverträgen ab, bei denen der hamburgische Staat als Kontrahent auftritt, hat
aber zu allen Staatsverträge die Ratifikation der Bürgerschaft vorzubehalten. Zur spe-
ciellen Leitung der Reichs= und auswärtigen Angelegenheiten, sowie zu seiner Vertretung
in den Beziehungen zu auswärtigen Bevollmächtigen bestellt der Senat eines seiner Mit-
glieder.
Der Senat schreibt die Wahlen zur Bürgerschaft aus, verfügt die Zusammenberufung
der Bürgerschaft nach ihrer Erneuerung, und ist auch berechtigt, die bereits constituirte
Bürgerschaft zu speciellen Zwecken zu berufen, ein Recht, von dem derselbe nur zum Zwecke
der Wahl oder der Beeidigung von Senatsmitgliedern Gebrauch zu machen pPflegt. Er
übt in Gemeinschaft mit der Bürgerschaft die gesetzgebende Gewalt aus, publicirt die in
verfassungsmäßiger Weise zu Stande gekommenen Gesetze, vollzieht dieselben und erläßt
die Vollzugsverordnungen zu den hamburgischen Gesetzen.
1) Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft 1868 p. 127, 133.
2) Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft 1881 p. 207.
3) Zur Zeit hat Hamburg nur bei Preußen einen, auch die beiden anderen Hansestädte ver-
tretenden Ministerresidenten beglaubigt.