88. Die Staatsverwaltung. 25
machen. Das Verordnungsrecht steht ihnen, wie allen Verwaltungsbehörden in so weit
zu, daß sie die Vorschriften von Gesetzen, die sich auf ihren Geschäftskreis beziehen, in
Erinnerung bringen oder die Voraussetzungen der Anwendbarkeit solcher Gesetze für vor-
handen erklären, auch die für Ausführung der ihren Geschäftskreis betreffenden Gesetze,
für die Handhabung ihrer Geschäfte und für Aufrechterhaltung der Ordnung in Bezug
auf die ihrer Aufsicht unterstellten Angelegenheiten und Gegenstände erforderlichen Anord-
nungen treffen können. Die Polizeibehörden können außerdem durch Verordnungen das
Verbot von Handlungen, welche nach bestehendem Rechte als unerlaubt gelten, ohne durch
ein Gesetz ausdrücklich verboten zu sein, bei einer Strafe bis zu 12 Thaler. einschärfen!)
und die zur Regelung des Betriebes in den unter ihre Aufsicht gestellten Gewerben er-
forderlichen Anordnungen bei Androhung von Strafen bis zu 6 Thalern anordnen. Wird
durch Beschluß der Bürgerschaft eine derartige Verordnung für gesetzwidrig erklärt, so ist
dieselbe sofort außer Kraft zu setzen, vorbehältlich ihrer Wiederherstellung auf dem für
Differenzen in Bezug auf die Gesetzgebung vorgeschriebenen Wege.
Jedes Mitglied einer Deputation ist für die ihm als Einzelnem obliegende Amts-
führung verantwortlich, nicht aber für die Theilnahme an Beschlüssen der Deputation.
Nur der Vorsitzende ist außerdem auch dafür verantwortlich, daß durch die Beschlüsse der
Deputation, also auch durch Unterlassung der gebotenen Beschlüsse die Verfassung und Ge-
setze nicht verletzt werden. Gegen einen Beschluß der Deputation, welcher nach seiner Ansicht
eine solche Verletzung enthält, hat der Vorsitzende Einspruch zu erheben, und erforderlichenfalls
dem Senat darüber Mittheilung zu machen, in welchem Falle dieser über das Bedenken ent-
scheidet. Doch steht der Deputation das Recht zu, den Fall dem Bürgerausschuß vorzulegen,
der die Angelegenheit dann ebenso zu behandeln hat, wie andere Fälle, in denen eine Ver-
letzung des öffentlichen Rechtes in Frage steht. Ueber den Grad des Verschuldens, der
den Vorsitzenden bei Unterlassung seines Widerspruchs, oder die einzelnen Mitglieder bei
der ihnen als Einzelnen obliegenden Amtsführung verantwortlich macht, ist gesetzlich nichts
vorgeschrieben. Nach allgemeinen Principien wird man anzunehmen haben, daß sie für
grobes Verschulden verantwortlich sind und überdies den öffentlichen Geschäften mindestens
denselben Fleiß zuzuwenden haben, den sie in ihren Privatangelegenheiten anzuwenden pflegen?.
Jeder, der sich durch Verfügungen oder Maaßregeln der Verwaltungsbe-
hörden, welche nicht unter die Kategorie der Strafverfügungen oder Strafbescheide
fallen, in seinen Privatrechten verletzt glaubt, kann ohne besondere Erlaubniß oder vor-
gängige Beschwerde auf Abhülfe oder Entschädigung oder Beides bei den Gerichten
Klage erheben. Nur in denjenigen Fällen, in denen, wie namentlich bei den direkten
Steuern, ein Reklamationsverfahren gesetzlich angeordnet ist, kann die Klage erst nach
fruchtloser Erledigung dieses Verfahrens erhoben werden. Sowohl in diesen Fällen, als
wo eine schriftliche Verfügung der zuständigen Behörde zu Handlungen oder Unterlassungen
vorliegt, muß die Klage vor Ablauf von acht Wochen nach Zustellung des im Reklama-
tionsverfahren, beziehungsweise des von der Verwaltungsbehörde, oder wenn der Be-
schwerdeweg eingeschlagen ist, in der Beschwerdeinstanz ergangenen Bescheides erhoben
werden. Diejenigen thatsächlichen Verhältnisse, für deren Feststellung ein Verfahren ge-
1) Diese im § 26 des Gesetzes über die Organisation der Verwaltung enthaltene Bestim-
mung war jener Zeit ein unerläßliches Surrogat für ein fehlendes Polizeistrafgesetz. — Durch das
Neichsstrafgesetzbuch ist sie für die, in demselben und namentlich in dem Abschnitt von den Ueber-
tretungen behandelten Materien unanwendbar geworden, bleibt aber in Kraft für die im § 2
des, einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch erwähnten, der Landesgesetzgebung überwiesenen
aterien.
2) Hier kommt die Analogie der Vormundschaft zur Anwendung. — S. darüber auch Gut-
achten. “ Juristenfakultät Göttingen, Verhandl. zwischen Senat und Bürgerschaft von 1875
P.