Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

81. Geschichtliche Entwickelung. 41 
seiner Gewalt zu willigen. Es geschah durch den Receß von 1669. Durch denselben wurde das 
Selbstergänzungsrecht des Rathes in der Weise beschränkt, daß die Zahl seiner Mitglieder auf vier 
Bürgermeister und sechzehn Rathsherrn festgestellt, und daß Bestimmung darüber getroffen ward, 
aus welchen bürgerlichen Collegien dieselben hervorgehen sollten. Ferner wurde in Bezug auf die 
Gesetzgebung noch eingehender und genauer angeordnet, welcher Antheil der Bürgerschaft an der- 
selben neben dem Rathe zustehe. 
Die Verfassung, wie sie in diesen beiden Recessen niedergelegt war, hat bis zum 31. Decem- 
ber 1810, bis zu dem Tage, an welchem Lübeck dem französischen Kaiserreiche einverleibt wurde, Gel- 
tung gehabt. Sie ist dann im Jahre 1813, als die Stadt das Joch der Fremdherrschaft abge- 
worfen und ihre politische Unabhängigkeit wieder gewonnen hatte, ohne jegliche Veränderung von 
Neuem in Kraft getreten ½). 
Die Verfassung entsprach jetzt jedoch nicht mehr den Umständen und Bedürfnissen der Zeit. 
Vornehmlich war die bürgerliche Repräsentation mangelhaft in Folge der ungleichmäßigen Zu- 
sammensetzung der Collegien. Es fehlte ferner eine Behörde, welcher die Anträge des Senates an 
die Bürgerschaft zur Vorberathung, beziehungsweise über minder wichtige Angelegenheiten zur Mit- 
beschlußnahme, überwiesen werden konnten. Auch waren die Bewohner des Landgebietes ohne 
jegliche Vertretung. Der Senat erachtete deshalb eine Revision der Verfassung für nothwendig. 
Auf seine Veranlassung ernannten die bürgerlichen Collegien im Mai und Juni 1814 ein und 
zwanzig Deputirte. Mit diesen traten sechs Commissarien des Rathes zusammen, um „über die 
angemessensten Veränderungen in der Zusammensetzung und Ergänzung des Senates sowie in der 
bürgerlichen Repräsentation“ zu verhandeln. Die Berathungen der Commission wurden am 1. No- 
vember 1815 geschlossen. Der Senat trat den Resultaten derselben im Wesentlichen bei und ver- 
stellte dieselben, welche neben einigen Veränderungen in der Zusammensetzung und Ergänzung des 
Senates die Bildung eines aus Wahlen der einzelnen Stände, d. h. Berufsstände, hervorgegangenen 
großen Bürgercollegiums von 75 Mitgliedern, der Bürgerschaft, und eines engeren Ausschusses von 
15 Mitgliedern, des Collegiums der Aelterleute, vorschlugen, durch ein Decret vom 28. September 1816 
zur Beschlußfassung der Bürgerschaft. Er beantragte ferner durch ein Decret von demselben Tage 
den Erlaß eines Gesetzes über die künftige Theilnahme der Bürgerschaft an den Wahlen neuer 
Rathsmitglieder. Er selbst war bereit, auf das Selbstergänzungsrecht zu verzichten, und erklärte, 
daß der zweite Antrag mit dem ersten nothwendig zusammenhänge ?). 
Die Verhandlungen über die Anträge wurden bis zu Beginn des Jahres 1824 geführt. 
Die Bemühungen des Senates um eine Reform der Verfassung waren jedoch vergeblich. Die 
Majorität der bürgerlichen Collegien wollte nicht auf das persönliche Stimmrecht verzichten, und 
das Reformwerk unterblieb. 
Im Jahre 1842 nahm die Bürgerschaft die Angelegenheit wieder auf und setzte zu dem 
Behufe durch Beschluß vom 25. November des Jahres eine aus sechzehn Mitgliedern bestehende 
Commission ein, welche den Auftrag erhielt, „die Mängel der bestehenden Verfassung zu erforschen 
und darzulegen, auch Vorschläge zu machen, was und wie zu ändern oder neu zu gestalten sein 
dürfte, um den erkannten Mängeln abzuhelfen“". Es ward dann später an die Commission die 
fernere Aufforderung gerichtet, die noch schwebenden Verhandlungen über die Errichtung und Wirk- 
samkeit einer schiedsrichterlichen Behörde für Fälle beharrlicher Meinungsverschiedenheit zwischen 
Rath und Bürgerschaft mit in den Kreis ihrer Berathungen zu ziehen. 
Im Juni 1844 überreichte die Bürgerschaft den umfänglichen Bericht der Commission 2) dem 
Senate. Zugleich theilte sie die Namen der dreizehn von ihr erwählten Deputirten mit, — von 
denselben gehörten elf den einzelnen bürgerlichen Collegien, je einer dem Gelehrtenstande und den 
Bewohnern des Landgebietes an — und bat, der Senat möge seinerseits Commissarien bestimmen, 
welche mit den bürgerlichen Deputirten zu Verhandlungen über die Reform der Verfassung zu- 
sammentreten sollten. Der Senat gab dem an ihn gerichteten Ersuchen Folge: durch Decret vom 
2. November 1844 setzte er die „Verfassungs-Revisions-Commission“ ein und delegirte sechs seiner 
Mitglieder in dieselbe. 
Die Commission wandte sich sogleich dem schwierigsten und umfangreichsten Theile ihrer 
Aufgabe zu, den Berathungen über die Reform der bürgerlichen Vertretung. Sie stellte zunächst 
fest, welche Mängel die Verfassung der Bürgerschaft habe, und erörterte sodann, ob denselben unter 
Beibehaltung der Grundlage der vorhandenen bürgerlichen Vertretung abgeholfen werden könne. 
  
1) Vgl. Lüb. Verordn. 1 (1813. 1814). 
2) Verhandlungen über zwei Abschnitte, welche zur Verfassungs-Revision der freien Hanse- 
stadt läbes gehören. (Lübeck, 1816.) 
ericht der bürgerlichen Verfassungs-Revisions-Commission an E. E. Bürgerschaft. Mit 
Anlagen A. und B., als Msc. gedruckt, Lübeck, a 70.
	        
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