§s 3. Träger der Staatsgewalt. III. Die Bürgerschaft. 47
Die regelmäßigen Ergänzungswahlen zur Bürgerschaft finden an zehn durch die
Verfassung vorgeschriebenen Tagen im Monat Juni statt, und wird die Reihenfolge, in
welcher die einzelnen Bezirke die Wahlhandlung vornehmen, im April von dem Bürger-
ausschusse durch das Loos bestimmt 1). Das Verfahren in den Wahlversammlungen ist
durch eine Verordnung vom 5. April 1875 geregelt?.
Die Mitglieder der Bürgerschaft beziehen als solche keine Besoldung. Sie vertreten
nicht den Wahlkreis, in welchem sie gewählt wurden, sondern die Gesammtheit aller Staats-
angehörigen. Sie sind von keinerlei Instructionen abhängig, vielmehr verpflichtet, nur
ihrer Ueberzeugung von dem, was das Wohl des Staates fordert, zu folgen). Eine
Verpflichtung, die Wahl in die Bürgerschaft anzunehmen, besteht nicht; ebenso ist der Aus-
tritt aus derselben jeder Zeit ohne Angabe von Gründen zulässig. Er muß indessen er-
folgen, wenn bei einem Mitgliede der Bürgerschaft Verhältnisse eintreten, durch welche er
seine Wählbarkeit in dieselbe verliert"). Werden auf solche Weise oder durch den Tod
von Mitgliedern der Bürgerschaft mehr als zwanzig Mandate erledigt, so müssen an Stelle
der Ausgeschiedenen für die Zeitdauer ihres Mandates Ersatzmänner gewählt werden,
falls nicht innerhalb der nächsten sechs Monate die ordentlichen Wahlen zur Bürgerschaft
bevorstehen ?).
Die Bürgerschaft hat das Selbstversammlungsrecht. Durch die Verfassung sind vier
Tage fest bestimmt, an denen die Bürgerschaft zusammentritt. Es hat dies ferner zu ge-
schehen, so oft der Senat es für erforderlich erachtet oder der Bürgerausschuß es begehrt
oder wenn mindestens 30 Mitglieder unter Angabe des Zweckes einen darauf bezüglichen
schriftlichen Antrag bei dem Wortführer einreichen "). Der letztere beruft die Versamm-
lungen und hat die Leitung und den Vorsitz in denselben ?). Es stehen ihm zwei Stell-
vertreter zur Seite. Alle drei werden in der ersten nach Beendigung der regelmäßigen
Ergänzungswahlen stattfindenden Versammlung auf die Dauer von zwei Jahren gewählt.
Sie sind verpflichtet, die Wahl anzunehmen, und scheiden, wenn sie Mitglieder des Bür-
gerausschusses sind, aus demselben aus. Der Wortführer darf jedoch nach Ablauf der
Zeit, für welche ihm die Leitung der Geschäfte übertragen wurde, nicht sogleich wieder zu
demselben Amte berufen werden. Fällt später zum zweiten Male die Wahl auf ihn, so
muß er derselben Folge leisten, er ist aber berechtigt, jede fernere Wahl abzulehnen.
Scheidet er während seiner Wortführung aus der Bürgerschaft aus oder wird er auf sei-
nen Antrag von dem Amte entlassen, so wird sein Nachfolger nur bis zu den nächsten Er-
gänzungswahlen der Bürgerschaft gewählt. Der letztere verliert aber dadurch nicht seine
Wählbarkeit bei der nächsten Wahl). Der auf fünf Jahre von der Bürgerschaft gewählte
Protokollführer ist ein aus der Staatskasse besoldeter Beamter .
Die Verhandlungen der Bürgerschaft sind in der Regel öffentlich, der Ausschluß
der Oeffentlichkeit tritt jedoch ein, wenn der Senat oder die Bürgerschaft es begehrt ½.
Zur Beschlußfähigkeit der Bürgerschaft ist erforderlich, daß wenigstens die Hälfte der je-
weiligen Vertreter in der Versammlung anwesend ist 1). Ihre Beschlüsse faßt sie nach
einfacher Stimmenmehrheit aller an der Abstimmung theilnehmenden Mitglieder.
1) Verf. Art. 30.
2) Anhang IV. zur Verf. Urk. Vergl. Verf. Art. 31 und 32.
3) Verf. Art. 26.
4) Verf. Art. 28.
5) Verf. Art. 29.
6) Verf. Art. 37.
7) Verf. Art. 39.
9 Verf. Art. 34.
9) Verf. Art. 35.
10) Verf. Art. 42.
11) Verf. Art. 40.