Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

50 Klügmann, Das Staatsrecht der freien und Hansestadt Lübeck. 85. 
glieder der Bürgerschaft delegirt. Vermag diese Commission nicht eine gütliche Verstän— 
digung über die Streitfrage herbeizuführen, so unterliegt letztere der rechtlichen Entschei— 
dung des hanseatischen Oberlandesgerichtes in Hamburg in erster und letzter Instanz!). 
Bezieht sich dagegen die Meinungsverschiedenheit auf die Frage, was das Wohl des 
Staates erfordere, und sind Senat und Bürgerschaft der übereinstimmenden Ansicht, daß 
eine Beschlußnahme ohne wesentlichen Nachtheil für das Gemeinwesen keinen Auf— 
schub erleidet, so wird eine Entscheidungscommission gebildet. Sie besteht 
aus sieben Mitgliedern des Senates und sieben Mitgliedern der Bürgerschaft, welche 
letztere die Bürgerschaft selbst durch geheime Abstimmung erwählt. Jene sind durch ihren 
Rathseid, diese durch ihren Bürgereid verpflichtet, der Wahl Folge zu leisten. Die Com— 
mission beginnt ihre Thätigkeit, nachdem ihre sämmtlichen Mitglieder spätestens in der 
nächsten nach der Wahl stattfindenden Sitzung des Senates in Gegenwart des Bürger— 
ausschusses den Eid abgelegt haben, daß sie sich bei der ihnen übertragenen Entscheidung 
nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl werden leiten lassen, und daß sie über alle 
Vorgänge in der Commission das unverbrüchlichste Stillschweigen bewahren wollen. Der 
Vorsitzende der Commission wird von derselben aus den ihr angehörigen Mitgliedern des 
Senates erwählt. Er giebt bei der Abstimmung seine Stimme zuletzt ab, während die 
Reihenfolge, in welcher die übrigen Mitglieder stimmen, durch das Loos festgesetzt wird. 
Für einen gültigen Beschluß der Commission ist Stimmenmehrheit sämmtlicher Mitglieder 
erforderlich. Bei Stimmengleichheit erwählt die Commission aus ihrer Mitte einen aus 
je drei Mitgliedern des Senates und der Bürgerschaft bestehenden Ausschuß, welcher sich 
über den von der Commission abzugebenden Ausspruch verständigen muß. Der letztere 
hat spätestens binnen 14 Tagen nach der Beeidigung der Mitglieder der Commission zu 
erfolgen. Er wird von sämmtlichen Mitgliedern derselben unterzeichnet und sogleich, nach- 
dem er mit einem Siegel verschlossen ist, durch zwei Mitglieder der Commission dem vor- 
sitzenden Bürgermeister überbracht. 
Gewinnt die Commission jedoch während ihrer Berathungen die Ueberzeugung, daß 
die zwischen Senat und Bürgerschaft bestehende Meinungsverschiedenheit ihr in anderer 
Weise, als geschehen, zur Entscheidung hätte vorgelegt werden müssen, und daß die An- 
nahme eines von ihr zu machenden Vorschlages dem Gemeinwohl am meisten fromme, so 
ist sie verpflichtet, den Vorschlag, jedoch versiegelt, zugleich mit dem von ihr gefällten 
Spruche an den Senat gelangen zu fassen. Ueber den Vorschlag finden dann zunächst 
Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft statt. So lange bis sich herausgestellt 
hat, daß dieselben zu keinem Resultate führen, bleibt der Entscheidungsspruch selbst uner- 
öffnet bei dem Senate liegen. Er wird innerhalb acht Tagen, nachdem er eingereicht, 
beziehungsweise nachdem der von der Commission gemachte Vorschlag verworfen ist, in 
der Versammlung des Senates in Gegenwart des Bürgerausschusses von dem vorsitzenden 
Bürgermeister eröffnet und verlesen. Der Ausspruch gilt sodann, vorausgesetzt, daß er 
nicht eine Abänderung der Staatsverfassung involvirt, welche niemals durch eine Entschei- 
dungscommission herbeigeführt werden darf, als Rath= und Bürgerschluß?). 
§ 5. Die Gesetzgebung und das Verordnungsrecht. Die Verfassung fordert für die 
Fortbildung fast des gesammten öffentlichen Rechtes ein Zusammenwirken von Senat und 
Bürgerschaft, einen übereinstimmenden Beschluß beider Körperschaften. 
Die Initiative zur Gesetzgebung geht in der Regel vom Senate aus. Sie steht 
jedoch auch der Bürgerschaft und gleichmäßig dem Bürgerausschusse zu"). Handelt es 
1) Verf. Art. 74. Vgl. Bekanntmachung, die Ausführung des Art. betr., Anhang VII. zur 
Verf. Urk. 
2) Vgl. Verf. Art. 75—85. 
3) Verf. Art. 44 und 71. Sein Verfahren bei Erwiderungen auf Anträge des Bürger- 
ausschusses und der Bürgerschaft hat der Senat durch Decret vom 21. Mai 1851 geregelt.
	        
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