Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

6 5. Die Gesetzgebung und das Verordnungsrecht. 53 
gelegenheit dem hanseatischen Oberlandesgerichte zu unterbreiten sein. Die Entscheidung 
desselben ist jedoch noch niemals angerufen worden; der Senat ist stets mehr bereit ge- 
wesen, Verordnungen, von denen es zweifelhaft sein konnte, ob sie als polizeiliche Ver- 
fügungen anzusehen seien, der Bürgerschaft vorzulegen, als sie ohne Mitwirkung der 
letzteren zu beschließen. 
2) Der’ Senat erläßt die zur Ausführung der Gesetze erforderlichen Be- 
stimmungen:). Zur Ausübung dieser Befugniß giebt namentlich die Reichsgesetz- 
gebung sehr häufig die Gelegenheit, in den Fällen, wo sie die einzelnen Landesregierungen 
anweist, die für die Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Einzelheiten selbst anzu- 
ordnen?). 
Das Verordnungsrecht des Senates findet jedoch noch eine Erweiterung in zwie- 
facher Weise. Der Senat ist 
3) kraft seiner oberbischöflichen Rechte über die evangelisch-lutherische Kirche 
des Staates competent, die für die Gemeinden derselben nöthigen Vorschriften zu be- 
schließen 2), und 
4) ist er auf Grund seines Oberaufsichtsrechtes über alle übrigen 
Religionsgesellschaften, welche im Gebiete des Staates bestehen, befugt, die 
Verhältnisse derselben durch seine Decrete zu ordnen"), sofern es sich nicht um die Aus- 
übung öffentlichen Gottesdienstes handelt. 
Neben der Mitwirkung bei der Gesetzgebung gewährleistet die Verfassung der Bür- 
gerschaft einen Einfluß auf die Verwendung der öffentlichen Gelder. Das Staatsver- 
mögen wird zwar unter der Leitung und Aufsicht des Senates von den einzelnen Be- 
hörden verwaltet. Der Wirkungskreis der letzteren sowie die herkömmliche Benutzung 
und Verwaltung des Staatsvermögens dürfen aber nicht ohne Genehmigung der Bürger- 
schaft wesentlich geändert werden, und es sind an die Mitbewilligung der letzteren über- 
haupt alle Ausgaben aus der öffentlichen Kasse geknüpft. Die Bürgerschaft darf indessen 
ihre Genehmigung zu einer Vermehrung der im Staatsbudget ausgesetzten Summen für 
Ehrenausgaben des Senates, sowie zur Bestreitung der Kosten diplomatischer Verhand- 
lungen und Sendungen nicht versagen, wenn der Senat erklärt, daß dieselbe nothwendig sei. 
Sie ist dann aber befugt, von dem Senate eine Darlegung zu verlangen über die Ver- 
wendung der für jene Zwecke angewiesenen Beträge. Ohne ihre Zustimmung darf ferner 
weder eine neue Staatsanleihe gemacht, noch der zur Tilgung der Staatsschulden festge- 
setzte Plan geändert werden. 
Eine besondere Vereinbarung ist zwischen Senat und Bürgerschaft über das Bud- 
getbewilligungsrecht geschlossen. Danach dürfen die durch die Verfassung fest- . 
1) So erließ der Senat z. B. auf Grund des Gesetzes v. 17. Mai 1876, betr. die Erhaltung der 
Flurbücher, Mutterrollen und Karten bei der Gegenwart, die Anweisung für das Verfahren bei der 
Fortschreibung derselben v. 28. April 1880. (Lüb. Verordn., 1880, S. 42 ff.) 
2) Der Senat hat z. B. auf Grund der §§ 83 und 84 des Reichsgesetzes über die Beur- 
kundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Febr. 1875 selbstständig die Bekannt- 
machung v. 2. Okt. 1875 über die Ausführung des Gesetzes im Lübeckischen Freistaate erlassen. 
(Vgl. Lüb. Verordn. 1875 S. 203 ff.) 
3) Die Ordnung für die evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden der Stadt Lübeck und zu 
St. Lorenz v. 8. Dec. 1860 (Lüb. Verordn. 1860 S. 77 fo. ist allein vom Senate ausgegangen; 
ebenso die Ordnung für die Kirchengemeinden zu Travemünde v. 24. Mai 1862 und zu Schlutup 
Vd chin v. 3. März, bez. 11. April 1866. (Lüb. Verordn. 1862 S. 51 ff., 1866 S. 5 ff.; 
. .) 
4) Vgl. Regulativ für die reformirte Gemeinde v. 10. Dec. 1825 (Lüb. Verordn. 1841/2 
S. 217 ff.); eine revidirte Gemeindeordnung hat der Senat am 3. Oct. 1874 bestätigt. Regulativ 
für die römisch-katholische Gemeinde zu Lübeck v. 14. Juli 1841 (ebd. S. 6 ff.) und Ordnung für 
die israelitische Gemeinde v. 5. April 1865 (ebd. 1865 S. 29 ff.) nebst Nachtrag v. 8. Jan. 1868 
(ebd. 1868 S. 51 ff.)
	        
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