Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

76 Sievers, Das Staatsrecht der freien Hansestadt Bremen. 8 6. 
1. Verordnungen mit interimistischer Gesetzeskraft. Der Senat kann im Falle eines 
Krieges, Aufruhrs, Tumults oder sonstiger Umstände, welche die öffentliche Ordnung und 
Sicherheit gefährden die gesetzlichen Bestimmungen über das Versammlungs= und Vereins- 
recht 1) zeitweilig außer Kraft setzen. Er hat jedoch der Bürgerschaft davon unverweilt 
Mittheilung zu machen und tritt eine jede desfallsige Anordnung mit Ablauf von 4 Wochen 
ohne weiteres außer Kraft, sofern nicht innerhalb einer solchen Frist die Bürgerschaft 
einer längeren Geltung derselben beistimmt ?). 
2. Ausführungs-Verordnungen. Die Verfassung?) verfügt, daß „die Erlassung von 
Verordnungen zur Handhabung der Gesetze“ zur Wirksamkeit des Senats gehöre. Damit 
ist indes offenbar nur der Erlaß von sog. Verwaltungs-Verordnungen d. h. Verfügungen, 
welche Verwaltungs-Vorschriften enthalten oder Verwaltungs-Einrichtungen betreffen, 
aber keine Rechtsregeln sanctioniren, gemeint. Zum Erlaß eigentlicher Rechtsvorschriften 
„im Verordnungswege“ kann der Senat durch ausdrückliche Delegation beider gesetzgebenden 
Factoren berufen werden. Und von dieser Möglichkeit einer Delegation wird auf dem 
Gebiete der particularen Gesetzgebung kaum Gebrauch gemacht. Dagegen hat die Reichs- 
gesetzgebung mehrfach behufs Detaillirung ihrer gesetzlichen Normen den einzelstaatlichen 
Verordnungsweg angewiesen"). In solchen Fällen hat der Senat mit Recht allein die 
betr. ergänzenden Nechtsvorschriften erlassen?). 
3. Polizei-Verordnungen. Nach der Verfassung ) gehört zum Wirkungskreise des 
Senats „die Verwaltung der Polizei und Kraft derselben die Verordnung und Hand- 
habung polizeilicher Vorschriften, welche die Aufrechthaltung bestehender Ordnung und 
die nächste Sicherstellung gegen drohende Gefahren betreffen.“ So unbestimmt dies Ver- 
ordnungsrecht begrenzt und so schwankend die Praxis in Bezug auf seine Ausübung ist, 
wird man nicht bezweifeln können, daß auf Grund desselben wahre Rechtsvorschriften 
erlassen werden können. Der Senat übt dies Recht theils selbst, theils durch Delegation 
an die localen Polizeibehörden aus. Die Bürgerschaft ist befugt 7), hinsichtlich der Zweck- 
mäßigkeit der erlassenen Vorschriften, dem Senate Vorstellungen zu machen, um ihn zu 
einer Abänderungen derselben zu veranlassen. Eine staatsrechtliche Bedeutung haben 
solche Vorstellungen nicht. Ist die Bürgerschaft aber der Ansicht, daß die erlassene 
Polizei-Verordnung „der Gesetzgebung angehöre“, d. h. nur in Folge gemeinschaftlichen 
Beschlusses von Senat und Bürgerschaft hätte erlassen werden dürfen, so ist sie befugt, 
über diese Frage nach Maßgabe des Gesetzes betr. die Erledigung von Meinungsver- 
schiedenheiten zwischen Senat und Bürgerschaft die Entscheidung des hanseatischen Ober- 
landesgerichts herbeizuführen ?). 
§ 6. Die Verwaltung. Die Staatsverwaltung liegt im allgemeinen dem Senate 
als dem „ausführenden“ Organe der Staatsgewalt ob?. 
  
betheiligt ist, Regulative für den Handels= und Schifffahrtsbetrieb und für die dazu gehörigen 
Hülfsgeschäfte, sowie die erforderlichen Taxen für letztere festzustellen und zu erlassen“ bezieht sich 
nicht auf die Schaffung von Rechtssätzen, sondern auf Verwaltungsanordnungen. 
1) Die Verfassung erwähnt ebenfalls die gesetzlichen Bestimmungen über Verhaftung. Haus- 
suchung und Preßfreiheit. Da diese Materien indes gegenwärtig vom Reiche geordnet sind (Str.= 
Pr. Ordn. v. I. Febr. 1877 §§ 94—132; Gesetz über die Presse v. 7. Mai 1874) kann von einer 
Aufhebung dieser Bestimmungen durch Organe der Einzelstaaten nicht mehr die Rede sein. 
2) Verf. § 20. 
7 571. 
4) Vergl. Laband, das Staatsrecht des deutschen Reiches II, p. 84. 4# » · 
5) Vergl. z. B. die obrigkeitl. Verordn., die Ausführung des Bundesgesetzes über die pri- 
vatrechtliche Stellung der Erwerbs= und Wirthschaftsgenossenschaften betr. v. 30. November 1868 
(G.Bl. p. 78). 
6) § 57m. 
7) Verf. § 65. 
8) Vergl. oben § 4 am Ende. 
9) Verf. § 56, 57 c, m, n, p. 
  
  
 
	        
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