78 Sievers, Das Staatsrecht der freien Hansestadt Bremen. 5 7V.
Eine besondere Verwaltungs-Gerichtsbarkeit ist dem bremischen Rechte un-
bekannt. Die Verfassung) bestimmt: „Jedem, der sich durch eine Verwaltungsmaßregel
in seinen Privatrechten gekränkt glaubt, steht der Rechtsweg offen.“ Diese allgemeine
Maxime ist nur auf wenigen Gebieten (Steuersachen, Strombau= und Abwässerungssachen,
Deich= und Wegesachen) durch die Gesetzgebung näher detaillirt. Entstehen zwischen Ver-
waltungsbehörden und Civilgerichten Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechtsweges,
so kann der Senat vor rechtskräftiger Entscheidung des Gerichts die Erhebung des Com-
petenz-Conflicts beschließen. Die Entscheidung über denselben erfolgt durch das Reichs-
gericht?.
8 7. Einzelne Verwaltungszweige. I. Die Verwaltung der auswärtigen
Angelegenheiten liegt dem Senate ausschließlich ob. Nur insoweit Verträge, welche
mit auswärtigen Regierungen abgeschlossen werden sollen, Angelegenheiten betreffen, „über
welche dem Senate keine einseitige Verfügung zusteht“, sind dieselben der Bürgerschaft
zur Genehmigung vorzulegen ). Der Geschäftskreis des Auswärtigen ist seit Einführung
der Reichsverfassung fast ausschließlich auf die Wahrnehmung der reichsverfassungsmäßigen
Rechte Bremens, vor allem also der Theilnahme am Bundesrathe beschränkt. Die specielle
Obsorge für diese Thätigkeit liegt der Senats-Commission für Reichs= und auswärtige
Angelegenheiten ob.
II. Was das Militärwesen angeht, so hat Bremen die ihm nach der Reichsverfassung
verbliebene Contingents-Herrlichkeit durch die Militär-Convention vom 27. Juni 18671“)
an die Krone Preußen abgetreten und sich nur wenige unwichtige Ehrenrechte vorbehalten.
III. Auf dem Gebiete des Kirchenwesens steht der Bürgerschaft eine Mit-
wirkung in der Verwaltung nicht zu. Der Senat übt das staatliche Oberaussichtsrecht
über die kirchlichen Gemeinden selbständig aus und controllirt vor allem deren Vermögens-
verwaltung. Die Kirchengemeinden sind im allgemeinen mit großer Selbständigkeit ausge-
stattet. Gegenüber den evangelischen Gemeinden stehen indes dem Senate die aus dem
gemeinen protestantischen Kirchenrechte sich ergebenden Befugnisse des an die Landesherr-
schaft geknüpften Episcopatrechtes zu. Die Senats-Commission für kirchliche Angelegen-
heiten ist in erster Linie mit Wahrnehmung dieses Geschäftskreises beauftragt ).
IV. Auf dem Gebiete des Gewerbewesens ist die durch die Verfassung angeordnete
Organisation der Gewerbe in 3 Gruppen (Handel und Schifffahrt — Handwerk und
Fabrication — Ackerbau und Viehzucht) von Bedeutung.
Die alte Organisation der Kaufleute mit ihrem collegium seniorum ) ist für diese
Institutionen maßgebend gewesen. Die Handelskammer bildet den Vorstand der Kauf-
mannschaft. Sie ist durch die Verfassung s) berufen, „auf alles, was dem Handel und
der Schifffahrt dienlich sein kann, fortwährend ihr Augenmerk zu richten, darüber zu be-
rathen und dem Senat auf dessen Antrag oder auch unaufgefordert gutachtlich zu berich-
ten, wie auch die ihr zur Förderung des Handels= und Schifffahrtsverkehrs angemessen
scheinenden Maßregeln bei den zuständigen Behörden zu beantragen“. Sie wird gewählt
von den selbständig etablirten Mitgliedern der bremischen Börse, welche seit wenigstens 3
Jahren Staatsbürger sind und die bürgerlichen Ehrenrechte besitzen, dem sog. Kaufmanns-
Convent. Der „Gewerbekammer"“ und der „Kammer für Landwirthschaft“ ist auf dem
1
erzC das brem. Gesetz vom 25. Juni 1879 (G. Bl. p. 216) und die kaiserl. Verordn.
v. 26. Sept. 1879 (N.G. Bl. p. 138).
3) Verf. §§ 57 f, 58 a.
4) G. Bl. p. 67.
5 Verf. 88 56, 57 c, m. n, p.
6) Verf. 8 57 c, d
7) Vergl. unten Seite 68.
8 § 104.