98 Otto, Das Staatsrecht des Herzogthums Braunschweig. 83.
welche sich im Gebiete des Staates, ohne letzterem anzugehören, aufhalten. Die N.L.O.
nannte jene Landeseinwohner, diese Fremde, beide Unterthanen. Landes-
ein wohner war, „wer auf gesetzliche Weise das Recht des Wohnsitzes im Staatsge-
biete“, und zwar in einer Gemeinde desselben, erworben hatte. Das Recht des Wohn-
sitzes in der Gemeinde, das Wohnortsrecht, hatte ipso jure das Landeseinwohner-
recht zur Folge. (N.L.O. 8§8§ 24, 42.) Das Wohnortsrecht entstand und erlosch nach
dem G. vom 23. Januar 1852 Nro. 8 im Wesentlichen aus den Gründen, welche jetzt
Erwerb und Verlust der Reichs= und Staatsangehörigkeit regeln, nur, daß ein Wechsel
im Wohnortsrecht nach Wahl sich unter schwereren Bedingungen vollzog, ein Erlöschen
durch Nicht gebrauch nicht stattfand. Die Aufnahme Fremder, d. h. die Verleihung
des Wohnortsrechts an dieselben, hing vom Ermessen der Gemeindebehörden ab und be-
durfte, wegen der Folge des Landes einwohnerrechts, der Genehmigung des Mini-
steriums. Als 1864 eine auf dem Grundsatze der Gewerbefreiheit beruhende Gewerbe-
ordnung erlassen wurde, erhob das G. vom 3. Aug. 1864 Nr. 42 die bis dahin beengte
Wahl und die Fortsetzung des dauernden Aufenthalts ohne Rücksicht auf das
Wohnortsrecht für Landeseinwohner zu einem, nur aus gesetzlich bestimmten Gründen zu
versagenden Rechte und ließ allgemein aus sechsjährigem Aufenthalte unter gewissen
Voraussetzungen einen gerichtlich verfolgbaren Anspruch auf Verleihung des Wohnorts-
rechts erwachsen, während die, Fremde betreffenden Bestimmungen unverändert blieben.
In diesen Rechtszustand griffen nach einander ein Art. 3 der Bundes= resp. Reichs-
Verfassung, das Freizügigkeitsgesetz, das Reichsgesetz über Erwerb und Verlust der Bundes-
und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, endlich das Reichsgesetz über den — bis da-
hin mit dem Wohnorte im Herzogthum zusammenfallenden — Unterstützungswohnsitz vom
6. Juni 1870. Das Wohnortsrecht war fortan nur noch als Bedindung der Gemeinde-
genossenschaft von einer Bedeutung, zu welcher der große Apparat jener fragmentarisch
gewordenen und deßhalb schwer auszulegenden Landesgesetzgebung im Mißverhältniß stand.
Durch G. v. 30. März 1873 Nr. 15 wurde letztere daher ausgehoben und der Erwerb
der Gemeindegenossenschaft, bezw. der politischen Rechte in den Gemeinden, neu geordnet
(s. u. § 7 II). Die durch die Reichsgesetzgebung bewirkte Umgestaltung der auf Landes-
einwohner und Fremde sich beziehenden allgemeinen Bestimmungen ist in folgenden Sätzen
zusammenzufassen: An Stelle der Bezeichnung „Landeseinwohner" ist die Bezeichnung
„Staatsangehöriger“ getreten. Man hat zu unterscheiden zwischen 1) diesseitigen
Staatsangehörigen, 2) Fremden, welchen als Angehörigen anderer deut scher Staaten
wie den diesseitigen Staatsangehörigen, die Reichsangehörigkeit zukommt, 3) den
übrigen Fremden. Nur diese sind noch eigentliche Fremde im Sinne der N.L.O.
Erwerb und Verlust der diesseitigen= Staats resp. Reichsangehörigkeit regelt das Bundes-
gesetz vom 1. Juni 1870. Die Reichsangehörigkeit hat auf weiten Rechtsgebieten die
Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen der einzelnen Deutschen Staaten aufgehoben. Die
diesseitige Staatsangehörigkeit hat neben der Reichsangehörigkeit nur noch insoferne besondere
Bedeutung, als sie, unbeschadet der Pflichten gegen das Reich, die besonder Treue= und
Gehorsamspflicht gegenüber dem Landesfürsten und dem Staate, sowie umgekehrt den
Anspruch auf den besonderen Schutz des letzteren begründet (N.L.O. 8 25), und als sie
insbesondere die Bedingung der politischen Rechte im diesseitigen Staate und dessen Ge-
meinden ist.
Den Fremden (Reichsausländern) wird, nicht kraft Rechts, sondern kraft Duldung,
welche letztere von der Entscheidung der Verwaltungsbehörden abhängt (N.L.O. § 28),
in der Regel Aufenthalt und Niederlassung nach freier Wahl, überhaupt freie persönliche
und wirthschaftliche Bewegung im Staatsgebiet gestattet. Wie sie einerseits den Schutz
der Gesetze genießen, so sind sie andererseits „zu deren Beobachtung verpflichtet“ und