g3. Personen im Staate. 101
den gesetzlich bestimmten oder durch dringende Nothwendigkeit gebotenen
Fällen gegen“ — — „Entschädigung auf Verlangen der competenten Verwaltungsbehörde
in Anspruch genommen werden“. Die Frage, ob zu expropriiren sei, entscheidet hienach
die Verwaltungsbehörde, und zwar, wo das Gesetz nichts anderes bestimmt, das
Staatsministerium. Daß die „dringende Nothwendigkeit“ nicht wörtlich, sondern im
höherem Sinne einer nach ernster Erwägung als begründet erkannten Forderung der
Staats- oder Gemeinde-Wohlfahrt zu verstehen, liegt in der Natur der Sache und ist
auch in der Praxis stets anerkannt.
„Ein Streit über den Betrag der Entschädigung ist im ordentlichen Rechtswege zu er-
ledigen.“ Diesem Grundsatze des § 33 c. schließt das die Ausmittelung der Entschädigungen
bei Expropriationen betr. G. v. 13. Sept. 1867 No. 78 sich nicht völlig an. Auf Grund von
Sachverständigen = Gutachten, allerdings nach streng geregeltem Verfahren, wobei auch die
Parteien gehört werden, „stellt die Herzogliche Landes-Oeconomic-Commission den Betrag der
Entschädigung nach pflichtmäßigem“ — — „Ermessen fest,“ ohne in ihrem Urtheil an die Gut-
achten gebunden zu sein. „Bei dem Ausspruche der H. Landes-Oeconomie-Commission hat es
sein Bewenden.“ (Die Landes-Oeconomie-Commission ist das collegialisch organisirte Central=
Organ für Gemeinheitstheilungen und Ablösungen.) Die Beschreitung des Rechtsweges ist nur
zuläßig, „wenn a) ein über den Betrag der Entschädigung geschlossener Vergleich angefochten
werden soll, b) wegen Versagung oder wesentlicher Verletzung des im Gesetze vorgeschriebenen
Verfahrens. In beiden Fällen ist auf Einleitung, resp. Wiederholung des Verfahrens in Ge-
mäßheit des Gesetzes zu erkennen.“ Dieses Gesetz ist zunächst nicht ohne Anfechtung, auch durch
einen Antrag der Landesversammlung, geblieben. Später hat sich die Landesversammlung für
Beibehaltung desselben entschieden.
Der Anspruch auf Unberletzlichkeit der Privatrechte ist auch noch durch die §§ 36
und 37 der N.L.O. modificirt, welche die Grundsätze der Ablösbarkeit der „gutsherrlichen
und sonstigen Realrechte“ und der „Aufhebung der Feudalrechte“ aufstellen. Die Grund-
sätze sind verwirklicht auf Grund der Ablösungs= und Gemeinheitstheilungs-Ordnungen
vom 20. Dezember 1834 und der die Aufhebung des Lehnsnexus betreffenden Gesetze
vom 28. März 1837 und 13. Dezember 1849 7.
Als einen Weg der Förderung „eigener Angelegenheiten"“, bezw. der Anrufung des
Rechtsschutzes läßt § 38 der N.L.O. ausdrücklich für „Jedermann“ zu: a) Bittschriften
„an den Landesfürsten und an die Landesbehörden“, ferner b) „Beschwerden über
gesetz= oder ordnungswidriges Verfahren der Behörden bis zur obersten Staatsbehörde“,
welche schriftlichen Bescheid zu ertheilen hat. — Nach dem (den § 114 der N.L.O. auf-
hebenden) § 1 des Ges. v. 20. April 1848 Nr. 16 können auch an die Landesver-
sammlung Bittschriften und Beschwerden gerichtet werden, letztere jedoch nur, wenn der
Beschwerdeführer nachweist, daß er bei der Landesregierung um Abhülfe seiner Beschwerde
vergeblich nachgesucht habe. (Siehe dazu Art. 77 der Reichsverfassung.)
III. Die juristischen Personen im Staate. Die juristische Persönlichkeit, mag die-
selbe für einen Verein natürlicher Personen oder für ein, einem bestimmten Zwecke ge-
widmetes Vermögen in Anspruch genommen werden, kann, wo sie sich nicht auf ein Gesetz
stützt, nur durch Verleihung Seitens der Landesregierung im einzelnen Falle, durch lex
Specialis, entstehen. Dieser nicht in einer generellen Bestimmung, wohl aber gelegentlich
in verschiedenen Gesetzen (s. z. B. unten § 10, am Ende) zum Ausdruck gekommene
Grundsatz ist im Herzogthum jetzt in Anerkennung und Uebung.
Die staatsrechtlichen Grundsätze, welche die Stellung gewisser juristischer Personen,
wie der Gemeinden, der Kirchen, in ihrer dem öffentlichen Rechte angehörenden
Bedeutung in und gegenüber dem Staate betreffen, werden an anderer Stelle Erörterung
finden. Hier handelt es sich um die Bestimmungen der N.L.O., welche juristische Per-
1) Siehe wegen der practischen und rechtlichen Gestaltung dieser und verwandter Rechtsma-
terien die übersichtlichen Darstellungen in R. Lüderssen, Befreiung und Mobilisirung des
Grundbesitzes im Herzogthum Braunschweig, 1881.