106 Otto, Das Staatsrecht des Herzogthums Braunschweig. 84.
III. Der Landesfürst als Vertreter des Staates nach außen. Nach 8 7 Abs. 1 der
N.L.O. „vertritt der Landesfürst den Staat in allen Verhältnissen zu dem Deutschen
Bunde und zu anderen Staaten“. — Die Beziehungen zum (ehemaligen) Deutschen
Bunde regelten im Einklange mit dem Deutschen Bundesrechte die §§ 11 und 12 der
N.L.O.; sie haben nur noch Bedeutung für die Beurtheilung der in den Zeiten des Deut-
schen Bundes begründeten Rechtsverhältnisse 1). Für die Stellung des Landesfürsten im
und zum Deutschen Reiche ist die Reichsverfassung maßgebend. — In dieser wie
überhaupt in den Reichsgesetzen findet auch die dem Landesfürsten zustehende Vertretung
des Staates anderen, deutschen und außerdeutschen Staaten gegenüber ihre im
R. St. R. zu erörternde Beschränkung.
Nach § 7 Abs. 2 der N.L.O. „ordnet der Landesfürst Gesandtschaften und Mis-
sionen an, schließt Staatsverträge und erwirbt dadurch Rechte für das
Herzogthum, sowie er dasselbe zur Erfüllung der vertragsmäßigen
Verbindlichkeiten verpflichtet". Nur in der Hand des Landesfürsten
ruht danach der völkerrechtlich bindende Abschluß von Staatsverträgen, von
denen allerdings nach § 8 der N.L.O. die Landesvertretung, (Landesversammlung), „so-
bald es die Umstände zulassen, in Kenntniß gesetzt werden soll“. Setzt die Erfüllung
(„Ausführung") der Staatsverträge den Aufwand noch nicht bewilligter Staatsmittel oder
den Erlaß von neuen, die Aufhebung oder Abänderung von bestehenden Landesgesetzen
voraus, so ist hiezu nach § 8 c. Abs. 2 „die verfassungsmäßige ständische Mitwirkung er-
forderlich“. Die zur Ausführung der Staatsverträge erforderlichen Gesetze und Verord-
nungen müssen den allgemeinen Vorschriften des Landesgrundgesetzes gemäß, (siehe oben
§ 4 II in verfassungsmäßiger Form, die Gesetze also auch unter ausdrücklicher
Erwähnung der Mitwirkung der Landesvertretung, verkündigt werden. Danach ist
in der Praxis verfahren. Den Inhalt der Publicationen bilden entweder die Staats-
verträge selbst, deren Wortlaut in dem Erlasse reproducirt wird, oder die Staatsverträge,
in Verbindung mit besonderen Ausführungsgesetzen oder Verordnungen, oder auch beson-
dere Gesetze allein. Welcher Weg gewählt worden, ist für die rechtliche Bedeutung des
Erlasses an sich gleichgültig. — Die Mitwirkung der Landesvertretung ist in der Regel
unter Vorlegung des vereinbarten Vertrags-Entwurfes nach der Feststellung des Ver-
trags-Inhaltes, jedoch vor der Vertrags-Ratification in Anspruch genommen. Doch fehlt
es nicht an Beispielen, daß die Zustimmung der Landesversammlung vor Feststellung des
Vertrags-Entwurfs, bezw. nach der Vertrags-Ratification eingeholt ist.
Der nach Auflösung des Deutschen Bundes von Braunschweig mit Preußen geschlossene
Bündnißvertrag vom August 1866 fand vorher lediglich auf Grund eines seine Ziele dar-
legenden, durch Beifügung eines Bundesreformplanes präcisirten Regierungs-Schreibens am 20.
Juli 1866 die einstimmige Genehmigung der Landesversammlung. Lediglich hierauf grün-
deten sich als zur Erfüllung des Bündnißvertrages dienende Acte der diesseitigen Gesetz-
gebung später das Wahlgesetz für den Neichstag des Norddeutschen Bundes vom 13. Novem-
ber 1866 Nr. 62, erlassen. nach den Worten des Einganges behuf der Wahl von Abgeordneten
für den Reichstag zur Mitw.irkung bei Begründung der Verfassung und den „Einrich-
tungen des Norddeutschen Bundes", ferner das Publications-Patent über die Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes vom 25. Juni 1867 Nr. 43, folgenden
Worlautes: „Wilhelm 2c. Nachdem die Verfassung des Norddeutschen Bundes von den verbündeten
Fürsten und freien Städten mit dem Meichstage vereinbart worden ist, und die Zustimmung
der Landesversammlung im voraus bereits erhalten hat, verkünden Wir“ u. s. w. „zur
Nachachtung“. In der Sitzung vom 10. August 1867 beantragte ein Abgeordneter in Erwägung
des Zweifels, ob „der Beschluß vom 20. Juli 1866 — — — auf die durch die späteren ge-
1) Der § 12 der N.L.O., welcher den vom Landesfürsten verkündigten allgemeinen Anord-
nungen und Beschlüssen des deutschen Bundes Gesetzeskraft für das Herzogthum beilegte, wurde in
einem Gesetze vom 4. Mai 1849 No. 17 als „durch die Reichsgesetzgebung aufgehoben declarirt“,
ohne daß er später nach Reactivirung des Bundestages ausbrücklich wieder in Kraft gesetzt wäre.
Mit der Publication der Bundesbeschlüsse wurde gleichwohl, wohl mit Recht, nach wie vor verfahren.