87. Die communalen Verbände. 115
und dazu Umlagen auf die Gemeinden auszuschreiben. Außerdem hatten dieselben in einer
größeren Anzahl bestimmter Fälle theils Aufsichts= und Bestätigungs-Rechte den Gemeinden ge-
genüber zu üben, theils Entscheidungen, namentlich in Verwaltungsstreitsachen,
und zwar meist endgültig, abzugeben, theils der entscheidenden Aufsichtsbehörde gutachend zur
Seite zu stehen. Im Jahre 1871 gab die, vielfach die Kreise in Anspruch nehmende Reichs-
gesetzgebung, besonders aber eine Uebereinkunft zwischen Regierung und Landesvertretung, nach
welcher eine durch spätere Bewilligungen noch erhöhte erhebliche Summe aus Eisenbahn-Kauf-
geldern und Finanz-Ueberschüssen den Kreisen überwiesen werden sollte, Anlaß zur Vorlage
einer Kreisordnung, welche von der Beseitigung der Amtsräthe ausging. In den Verhandlungen
wurde constatirt, daß die Amtsräthe bei ihren lockeren Beziehungen zu den Bezirksgemeinden
und bei dem Mangel eines, die Grundlage und Anregung zu schaffender Thätigkeit bietenden
Vermögens zur Erfüllung ihrer allgemeinen Aufgaben kaum je gelangt seien. Die Vorlage
führte zu dem Erlasse der Stadt und Land umfassenden Kreisordnung. Die
Amtsräthe haben damit aufgehört zu existiren. Ihre für specielle Fälle vorgeschriebenen Func-
tionen sind zum kleineren Theile auf die Kreisversammlung, zum größeren auf die Kreisaus-
schüsse durch die Kr.O. übertragen.
b. Früher in den Amtsräthen, (auf welche sich noch einige Bemerkungen in H. Schulze
D. St. N. 1 § 166 beziehen,) an ihrer Stelle jetzt in den Kreisausschüssen und in einem städtischen
Organe, der vereinigten Versammlung von Magistrat und Stadtverordneten, sind gewählte Or-
gane von Selbstverwaltung übenden Corporationen gegeben, welche in einer Reihe von Ver-
waltungsstreitsachen entscheiden. Eine generelle RNegelung der Verwaltungs-
gerichtsbarkeit und die entsprechende Organisation von Verwaltungsgerichten (siehe jedoch
oben S. 111) hat im Herzogthum, dessen geringer Umfang in Betracht zu ziehen, nicht stattge-
funden. Hinzuweisen ist dabei auf die verfassungsmäßige Befugniß zu Recursen in Staatsver-
waltungssachen bis zur obersten Instanz, auch gegen die Verfügungen der Staatsaufsichts-Be-
hörden in Gemeindesachen, und auf den Umstand, daß das Staatsministerium collegialisch or-
ganisirt ist und entscheidet.
II. Die Gemeinden. A. Die den Städten und Landgemeindengemein-
samen Grundsätze. Dem, den heutigen Stadt= und Landgemeinden gemeinsamen rechtlichen
Charakter, der Gleichheit der Grundidee, auf welcher beide beruhen, entspricht es, daß beiden
eine große Zahl von Bestimmungen, die sich in der St.O. und L.G.O. wiederholen, gemein-
san sind, (s. dieselben hier unter A) während auf der anderen Seite der aus der geschichtlichen
Entwickelung erwachsende und zugleich in den thatsächlichen Verhältnissen, besonders in
der Größe liegende Unterschied beider Gemeindearten in der Verschiedenheit einer Reihe
von Bestimmungen, namentlich den die Organisation betreffenden, seinen Ausdruck findet.
(S. dieselben unter B und C.)
Die Gemeinden haben das Recht, ihre Gemeindeangelegenheiten sowie auch die Orts-
polizei im Gemeindebezirke selbständig zu verwalten und ihre Vorsteher und Vertreter frei
zu wählen, ebenso das Recht, Gemeindeangelegenheiten und Gegenstände der Ortspolizei
durch Statuten (bezw. polizeiliche Reglements) zu ordnen, welche übrigens den Gesetzen
Widersprechendes nicht enthalten dürfen, anderenfalls unverbindlich sind.
Dem Gemeindeverbande unterworfen sind alle im Gemeindebezirke belegenen Grund-
stücke und alle in demselben wohnenden Personen. Jedes Grundstück muß einem
Gemeindebezirke, den auch ein größeres Gut allein bilden kann, angehören. Größere
Forstbezirke und an den Landesgrenzen belegene Grundflächen können, sofern sie Land
ohne Leute sind, „abgesonderte Gemarkungen“ mit einem eigenen Localpolizeibeamten bilden.
Veränderungen in bestehenden Gemeindebezirken können unter gewissen Voraussetzungen
durch Theilungs-Recesse, bezw. durch Verordnung, sonst, wie auch die Bildung neuer
Gemeindebezirke, nur durch Gesetz erfolgen. — Gemeindegenossen sind „alle Reichs-
angehörigen, welche in der betreffenden Gemeinde ihren Wohnsitz (juristisches Domicil,
d. h. Aufenthalt mit der Absicht dauernder Niederlassung) haben“", Markgenossen die-
jenigen, welche im Bezirke Grundbesitz, aber nicht den Wohnsitz haben, Fremde endlich,
welche sich im Bezirke, ohne Gemeindegenossen zu sein, aufhalten. — Die politischen
Rechte in der Gemeinde anlangend, so ist jeder im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte
befindliche, 21 Jahre alte, männliche Gemeindegenosse bei Erfüllung einiger weniger er-
heblicher Bedingungen, sofern er braunschweigischer Staatsangehöriger ist, a) in
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