122 Otto, Das Staatsrecht des Herzogthums Braunschweig. 88.
wesentlichen wie Stadtverordnete bezw. Gemeinderathsmitglieder zu wählenden Wahlmännern.
Die so gebildeten Wahlkörper wählen in den städtischen Wahlbezirken die Abgenordneten selbst,
in den ländlichen dagegen nochmals Wahlmänner und diese erst die Abgeordneten. Die
Wahlen aller Abgeordneten erfolgen nach absoluter Majorität der Erschienenen (mindestens
die Hälfte der Wahlberechtigten muß da sein, sonst neuer Termin, wobei die unentschuldigt
Ausgebliebenen die Kosten des 1. Termins zu tragen haben), und zwar öffentlich zu Proto-
koll. — Wegen der den Eigenthümlichkeiten der Organisation und der Wahl der Landes-
vertretung entsprechenden zahlreichen Detailbestimmungen ist auf die Gesetze zu verweisen.
II. Geschäftsordnung. Die Grundlagen der Geschäftsordnung befinden sich in den
§§ 128—151 der N.L.O., die auf den Grundlagen aufgebauten Einzelbestimmungen
in der eigentlichen „Geschäftsordnung“, welche nicht einseitig von der L.V. festgestellt,
sondern „zwischen dem Landesfürsten und der L.V." vereinbart wird, also Gesetz ist ½).
Aus jenen Grundlagen wird hier das Wichtigste mitgetheilt.
Die alle 3 Jahre zu berufenden ordentlichen Landtage sollen in der Regel im
November (vor dem mit 1. Januar eintretenden Beginne der betr. 3jährigen Finanz-Periode)
zusammentreten. Dem Landesfürsten steht jederzeit Berufung außerordentlicher Landtage frei.
— Berufung, Vertagung (so jedoch, daß auf länger als 3 Monate nur mit Zustimmung
der L. V. vertagt werden kann), Auflösung stehen beim Landesfürsten. Berufung und Auf-
lösung erfolgen durch landesfürstliche Verordnung. In der Auflösungs-Verordnung
muß enthalten sein die Anordnung der Neuwahlen und die Bestimmung eines nicht über
6 Monate hinaus liegenden Tages zur Eröffnung der neuen Versammlung. (N.L.O. 8§ 147.)
„Kraft althergebrachten Rechts“ kann sich die LV. ohne Berufung zu sog.
Convocationstagen, und zwar 1) bei plötzlicher allgemeiner Landesgefahr, 2) wenn
das Landesgrundgesetz verletzt wird, (besonders erwähnt ist Nicht berufung des Landtags
binnen 3 Jahren) und Anträge zu dessen Schutze zu machen sind, 3) wenn der Ausschuß
zu ergänzen (siehe oben S. 119), 4) wenn die Stelle des Landsyndicus erledigt ist, zu Be-
rathung und Beschlußfassung, jedoch nur über den die Convocation veranlassenden Gegen-
stand, versammeln. Nach einer Auflösung kann jedoch das Convocationsrecht nur im
Falle 1 geübt werden. (N.L.O. § 113.) Der Ausschuß, „ist befugt, in den angeführten
Fällen die L.V. zusammen zu berufen 2)“". (N.L.O. § 125.)
Wegen des „Rechtes freier Aeußerung“, welches in gewissem Umfange der § 134
der N.L.O. gewährte, ist jetzt auf § 11 des R. Str. G. B. zu verweisen. — Verhaftung
eines Abgeordneten ist nur zuläßig, „wenn derselbe auf frischer verbrecherischer That er-
griffen wird, oder mit Zustimmung der L. V.“ (N.L.O. 8 135.)
Behuf Bestimmung des Präsidenten und Vicepräsidenten wählt die
L. V. unter dem Alterspräsidenten je 3 Kandidaten aus ihrer Mitte, von denen der Lan-
desfürst je einen als Präsidenten, bezw. Vicepräsidenten bestätigt.
Der L.V. steht das Recht der Bestellung eines Landsyndicus mit lebenslänglicher
Anstellung, mit welcher die Verwaltung eines anderen Staatsamts unvereinbar ist, zu.
Für die Dauer des Landtags wird ein Substitut des Landsyndicus behufs Vertretung des
letzteren in Behinderungsfällen gewählt. (N.L.O. 8 115.) ).
1) Geschäftsordnung v. 30. Mai 1871 No. 29 mit Abänderungen vom 10. November 1873
No. 61 und 28. März 1874 No. 12.
2) Kann die L.V. sich ohne Berufung des Ausschusses versammeln? Die N...O. verbietet
es nicht. Auf der andern Seite spricht der Umstand, daß ein verfassungsmäßiges Organ darüber,
ob ein Convocationsgrund vorliegt, vorher zu befinden haben wird, für Verneinung der Frage.
Uebrigens ist wohl die Bedeutung des Convocationsrechts durch die Anordnung regelmäßiger Wie-
derkehr der Landtage gemindert Zuletzt hat ein Convocationstag, und zwar vom Ausschusse berufen,
im September 1830, nachdem Herzog Carl das Land verlassen hatte, stattgefunden.
3) Wegen der Functionen und Dienstverhältnisse des Landsyndicus siehe Geschäftsordnung
von 1871 §§ 16—21, G. v. 26. October 1833 No. 25, 22. Dezember 1870 No. 114, 1. April 1879