124 Otto, Das Staatsrecht des Herzogthums Braunschweig. 88.
Finanzwesens sind in der N.L.O. ausführlich behandelt und finden im Folgenden ihre Er—
örterung ). Hier sind noch Bestimmungen allgemeinerer Natur zu besprechen, und zwar
zuerst die auf die L.V. sich beziehenden.
Der § 105 gewährt der L.V. das Recht der Initiative. „Die L.V. ist be-
rechtigt, dem Landesfürsten Vorschläge zu Gesetzen, Verordnungen, allgemeinen
Verfügungen und zur Errichtung öffentlicher Anstalten zu machen“; auf diese Vorschläge
„sollen stets landesfürstliche Entschließungen, und zwar im Ablehnungsfalle mit Anfüh-
rung der Gründe, erfolgen".
Ein Recht allgemeiner Controle, abgesehen hier von der Finanz-Controle, ge-
währt § 106 der N.L.O., nach welchem die L.V. „befugt ist, wegen bemerkter Mängel
oder Mißbräuche bei der Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltung der öffentlichen An-
gelegenheiten, Vorträge an die Landesregierung zu richten und sich über deren Abstellung
gutachtlich zu äußern“". Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Gerichte, namentlich
„durch landesfürstliche Verfügungen“ oder Verletzungen der auf die Unverletzlichkeit der
Person und des Eigenthums sich beziehenden Rechtsvorschriften können ihr Anlaß zu An-
trägen (immer nur bei der Landesregierung), auf Abhülfe, im zweiten Falle auch auf
Bestrafung der Schuldigen geben.
Dem, „Einzelnen und Corporationen“ zustehenden Rechte, Bittschriften und
unter gewissen Voraussetzungen auch Beschwerden bei der L.V. anzubringen, (s. o. § 3 II)
entspricht das Recht der L.V. solche Eingaben entgegen zu nehmen. Die L.V. hat
nach § 49 der Geschäfts-O. von 1871 darüber zu beschließen, a) bei einer Beschwerde,
ob sie „für begründet oder unbegründet zu halten und im ersten Falle, ob sie dem Lan-
desfürsten zur Berücksichtigung zu empfehlen oder auf Bestrafung von Beamten anzu-
tragen sei, b) bei Bittschriften, ob sie der Landesregierung zur Berücksichtigung zu em-
pfehlen oder unberücksichtigt zu lassen seien.
Auf das Recht der Anklage wegen Verfassungsverletzungen
beziehen sich die §§ 108—112 der N.L.O. mit deren in dem G. vom 19. März 1850 Nr. 19
enthaltenen Abänderungen. Der Strafantrag,, welcher „spätestens binnen 6 Jahren
nach eingetretener Verletzung gemacht werden muß“, kann sich richten nicht nur a) gegen
Mitglieder des Staatsministeriums, und zwar bei schriftlichen Erlassen, „insbesondere"
gegen diejenigen Mitglieder, welche „qoontrasignirt oder unterzeichnet“ haben,
„ohne Zulassung der Berufung auf eine vorher mündlich oder
schriftlich erklärte abweichende Meinung" (§ 156 der N.L.O.), sondern
auch b) gegen Mitglieder des Ausschusses der L. V. und c) gegen die dem Staatsmini-
sterium untergeordneten Beamten da, wo dieselben in den Grenzen eigener Verantwort-
lichkeit handelten, jedoch gegen diese nur dann, wenn „der Antrag auf Bestrafung bei den
vorgesetzten Behörden und zuletzt bei dem Staatsministerium angebracht und 8 Wochen
lang unbeachtet geblieben ist“. — Der Strafantrag ist begründet bei jeder von dem Schul-
digen in amtlicher Eigenschaft begangenen „Verletzung von, auf den vorliegenden Fall
unzweifelhaft anwendbaren Bestimmungen des Landesgrundgesetzes“, und
zwar auch bei solcher Verletzung, welche zugleich ein im ordentlichen Verfahren zu ver-
folgendes Verbrechen oder Vergehen enthält. Bei der Verletzung, — welche in einer an
sich bewußten und gewollten Handlung oder Unterlassung bestehen kann, — wird das
Bewußtsein des Schuldigen, daß er eine Verfassungsbestimmung verletze, nicht erforder-
lich sein. Zweisellose Bestimmungen der Verfassung müssen die, welche letztere zu hand-
haben berufen sind, kennen. Anzuklagen berechtigt ist allein die L.V.; nachdem
1) Einer Anordnung der N.L.O (§ 97) gemäß sind die der L. V. im Landesfinanzwesen
obliegenden Functionen dem vom Finanzwesen handelnden § 9 als im Anschluß an diesen leichter
verständlich angefügt.