88. Die Landesvertretung. 125
dieselbe eine Handlung oder Unterlassung, bezüglich welcher eine Anklage in Frage kommen
könnte, durch Beschluß gebilligt hat, „findet eine ständische Anklage nicht weiter statt“.
— Richter ist ein besonderer Gerichtshof, gebildet für den einzelnen Fall aus 7, dem
höchsten Gerichte im Lande zu entnehmenden Mitgliedern, von denen zuerst 3 durch das
Loos, dann 2 von den Abgeordneten, zuletzt 2 von der Landesregierung bestimmt werden.
Anordnungen des Gesetzes treffen Fürsorge für den Fall, daß die Regierung 2 Mitglieder
nicht wählt, und regeln überhaupt das ganze Verfahren. — Grundlage des Ver-
fahrens ist ein dem Gerichtshofe zu übergebender motivirter Strafantrag. —
Das Erkenntniß, gegen welches nur das Rechtsmittel „der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen neuaufgefundener Thatsachen oder Beweisgründe“ stattfindet, be-
schränkt sich auf Beantwortung der Frage, ob der Angeklagte einer Verfassungsverletzung
der oben characterisirten Art sich schuldig gemacht habe oder nicht? und überläßt die Be-
urtheilung eines etwa darin liegenden Verbrechens oder Vergehens sowie etwaiger Ent-
schädigungsansprüche den ordentlichen Gerichten. — Unmittelbare Folge der Ver-
urtheilung ist bei dem Beamten Dienstentlassung, bei Ausschuß-Mitgliedern Verlust
der Abgcordneten-Eigenschaft und der Wählbarkeit. Verhandlungen und Erkenntniß sollen
durch den Druck öffentlich bekannt gemacht werden.
Das G. vom 19. März 1850 Nr. 19 setzte den Gerichtshof nach der damaligen Gerichts-
organisation zusammen. Ein der neuen Gerichtsverfassung Rechnung tragendes Gesetz ist bis jetzt
nicht erlassen. Man wird aus jenem G. von 1850 die oben mitgetheilten allgemeinen Regeln ent-
nehmen müssen, aber auch können, um den Staatsgerichtshof zu bilden. — Bezüglich Abolition
und Begnadigung siehe S. 105 Anm. 3. — Seit dem Bestehen der N.L.O. sind Strafanträge
wegen Verfassungsverletzungen zwei Mal in Frage gebracht; es ist jedoch keiner gestellt.
(Wegen der Rechte der L.V. bezüglich der Wahl eines Negenten siche oben § 4 V.)
Das Institut des Ausschusses der L.V., erwachsen aus den alten landständi-
schen Einrichtungen, entspricht jetzt insbesondern einem Bedürfnisse, das durch die längere,
zwischen den nur alle 3 Jahre zusammentretenden ordentlichen Landtagen liegende Zeit
hervorgerufen wird. Die Functionen des Ausschusses, der während der Zeit,
zu welcher die L. V. nicht vereingt ist, (also auch während der Vertagungen), aber auch
nur zu dieser Zeit, als Organ der L.V. zu functioniren berufen ist, haben denselben
rechtlichen Character, wie die der L. V. selbst, sind aber, der Natur der Sache entsprechend,
von wesentlich beschränkterem Umfange. Von Functionen allgemeineren Charakters sind,
abgesehen hier von der Mitwirkung bei der Gesetzgebung und im Finanzwesen zu erwähnen
a) das nöthigenfalls in Anträgen an die Regierung geltend zu machende Recht und die
entsprechende Pflicht, „auf die Vollziehung der zwischen dem Landesfürsten und den
Ständen getroffenen Vereinbarungen zu sehen“ (N.L.O. § 118), b) die Verbindlichkeit,
der Regierung auf Anfordern Berichte und Gutachten in Landesangelegenheiten, nament-
lich auch über Gesetzentwürfe, wrlche die Regierung der L.V. vorzulegen denkt, zu er-
statten. (N.L.O. § 124.) Auch kann c) „die L.Vmit Zustimmung der Landes-
regierung, dem Ausschusse durch specielle Vollmacht für einzelne bestimmte Geschäfte
alle die Rechte übertragen, welche sie selbst hat“. (N.L.O. § 126.) Dem Ausschusse liegt
endlich die Oberaufsicht über das landschaftliche Archiv, die Führung der Rittermatrikel
(welche nur noch eine untergeordnete, nicht staatsrechtliche Bedeutung wegen der land-
schaftlichen Stipendien hat), und die Verwaltung und Vertheilung der aus Mitteln des
Kloster= und Studien-Fonds fließenden landschaftlichen sowie einiger auf milden Stiftungen
beruhenden Stipendien ob. (N.L.O. 8 127.)
IV. Mitwirkung bei der Gesetzgebung. Der Mitwirkung der Landesvertretung
bedürfen nicht die vom Landesfürsten allein zu erlassenden Verordnungen im
Sinne der N.L.O., deren Begriff in § 4 II d. D. festgestellt worden; alle anderen
gesetzgeberischen Erlasse bedürfen derselben. Die N.L.O. kennt zwei Arten der Mitwir-