126 Otto, Das Staatsrecht des Herzogthums Braunschweig. 88.
kung: 1) Zustimmung, 2) Rath und Gutachten. Sie überträgt dieselben nach verschiedenem
Maaße sowohl der L.V. als auch deren Ausschusse.
Die L.V. wirkt mit A) vermöge des Erfordernisses ihrer Zustimmung: 1) wenn
das Landesgrundgesetz oder die mit demselben erlassenen Gesetze, (welche in § 1 d. D.
aufgeführt worden), ergänzt, erläutert oder abgeändert, 2) wenn neue organische Staats-
einrichtungen getroffen oder die bestehenden verändert, 3) wenn Landesgesetze gegeben,
aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt werden, welche a) das Landes-Finanz= und
Steuer-Wesen, die Militärpflichtigkeit und die Aushebung der Mannschaften oder b) das
bürgerliche oder Strafrecht, den bürgerlichen oder Strafproceß betreffen 1), B) vermöge
des Erfordernisses ihres Gutachtens und Rathes „bei allen übrigen, namentlich
den das Landespolizeiwesen betreffenden gesetzlichen Bestimmungen“ und „es können in
solchen Gesetzen Strafen bis zu einmonatiger Haft oder diesen entsprechende Geldstrafen
angedroht werden“. (N.L.O. §§ 98 und 99.) Gesetze, welche höhere Strafen androhen,
würden der Zustimmung bedürfen. Es kann vorkommen, daß ein Gesetz beider Arten der
Mitwirkung bedarf; im Eingange wird sodann die Formel „nach angehörtem Rath und
Gutachten der L.V. und, soweit erforderlich, mit deren Zustimmung“ gewählt.
Der Ausschuß hat hinsichtlich der unter A 3 b und B erwähnten Arten von
Gesetzen dieselben Befugnisse, wie die L. V., nur, daß seine Mitwirkung nicht ausreicht,
also die L. V. eintreten muß, wenn es sich zu A 3 b um den Erlaß „ganzer Gesetzbücher,
einer Hypotheken-, Ablösungs-, Gemeinheitstheilungs-Ordnung"“, zu B um den Erlasß
einer „allgemeinen Polizeiordnung“ handelt. — Unter Zustimmung des Aus-
schusses kann ferner ein Gesetz der unter A 3 a bezeichneten Art als Nothgesetz
erlassen werden, wenn „das Staatswohl dringende Eile gebietet oder der vorübergehende
Zweck des Gesetzes durch Verzögerung vereitelt würde. Die Landesregierung entscheidet
unter Verantwortlichkeit sämmtlicher stimmführender Mitglieder des Staatsmini-
steriums“, (die also einstimmig sein müssen), „darüber, ob jene Voraussetzung eingetreten
sei? Gesetze dieser Art sind der L.V. baldigst zur Genehmigung vorzulegen und treten
außer Wirksamkeit, wenn diese versagt wird". (N.L.O. 8§ 120, 121, 123.) Den Erlaß
von Nothgesetzen ohne jede Mitwirkung der Landesvertretung kennt die N.L.O. nicht; es
bedarf dessen aber auch bei dem steten Vorhandensein eines Organs der Landesvertretung
nicht. — Gesetze, welche unter A 1 und 2 zu clasificiren sind, können nach ausdrücklicher
Vorschrift des § 122 der N.L.O. nie, also auch nicht als sog. „Nothgesetze“, mit Zu-
stimmung des Ausschusses erlassen werden.
Kann dem Ausschusse die Mitwirkung bei dem Erlasse eines solchen Gesetzes durch spe-
cielle Vollmacht (s. o. S. 125) übertragen werden? Die Frage wird bei dem absoluten
Verbot in § 122 c. zu verneinen sein. Bei Verfassungsgesetzen ist die Mitwirkung des Aus-
schusses kraft Vollmacht schon wegen des Erfordernisses der Zweidrittel-Majorität „gesammter
Landschaft“ ausgeschlossen.
V. Ausgleich von Verfassungs-Streitigkeiten. Sowohl die Landesregierung als
auch die Landesversammlung können, wenn sie eine verschiedene Ansicht über die Aus-
legung einzelner Bestimmungen des Landesgrundgesetzes haben sollten, nach einem durch
die N.L.O. geordneten fruchtlosen Versuche der Ausgleichung einen Gerichtshof entscheiden
lassen, welcher wie der über Anklagen wegen Verfassungsverletzung erkennende Gerichts-
hof (s. o. S. 124) zusammengesetzt wird und in erster und letzter Instanz entscheidet.
(N.L.O. 8 231.)
1) Seitdem die Reichsgesetzgebung auf verschiedenen der bezeichneten Gebiete, namentlich der
unter Za und b erwähnten, fast ausschließlich herrscht und die Gesetzgebung des Einzelstaates ent-
sprechend beschränkt, ist auch der Kreis der Wirksamkeit der Landesvertretung ein entsprechend kleinerer
geworden. Gleichwohl mußten die Bestimmungen der N.KL.O. hier vollständig mitgetheilt werden,
da sie noch immer, soweit das Reich nicht eingegriffen hat, ihre Bedeutung haben.