89. Das Finanzwesen. 131
fassungswidrig würde nur eine Verweigerung von Mitteln zur Deckung einer als erfor—
derlich erkannten Ausgabe aus anderen Gründen (als Pression gegen ein mißliebiges
Ministerium, als Mittel zur Beseitigung einer auf Vereinbarung beruhenden Staatsein-
richtung u. s. w.) sein.
Das Mittel der Deckung bieten, soweit andere Einnahmen nicht vorhanden, die
Staatsabgaben. „Keine allgemeine Steuer oder Landeslast (direkte, indirekte Steuern,
Verkehrsabgaben, Gebühren) kann ausgeschrieben, erhoben oder verändert werden ohne
ständische Bewilligung““!). Die N.L.O. unterscheidet in den §§ 175—179 a) die „Steuer-
Verfassung“ d. h. den Inbegriff der „die Art und den Betrag der öffentlichen Abgaben
und Leistungen, die Grundsätze und Verhältnisse, nach welchen selbige auf Gegenstände
oder Personen zu legen und zu vertheilen sind“, die „Erhebungsweise“ u. s. w. betreffen-
den Rechtsvorschriften, welche in Gesetzze gekleidet sind, b) die auf Grund der Steuer-
verfassung nach Bedarf erfolgende eigentliche Steuerauflage, welche in der Praxis
durch Publikation des die bewilligten Steuern aufführenden Staatshaushalts-Etats erfolgt.
Auf Beides erstreckt sich nach den Worten der N.L.O. „das ständische Bewilligungsrecht".
Bei der Steuer-Verfassung läuft dies Recht auf das allgemeine Erforderniß der Zu-
stimmung zu Gesetzen hinaus?). (S. oben § 8 IV). Dem entspricht es, daß nach
* 178 der N.L.O. die „Steuerverfassung in Kraft bleibt, bis über ihre Abänderung oder
Einführung eines nenen Steuer-Systems auf verfassungsmäßigem Wege anderweit bestimmt
worden“. Die eigentliche Bewilligung „aller Abgaben“ (mit Ausnahme von in-
direkten Steuern, Verkehrsabgaben, der Natur der Sache nach auch Gebühren, welche nach
Vereinbarung auf längere Zeit bewilligt werden könneng) erfolgt längstens auf eine
Finanz-Periode, und können nach deren Ablauf die Abgaben höchstens noch
für ein Jahr erhoben werden. „Wenn außerordentliche Ereignisse die zeitige Ver-
sammlung des Landtags unthunlich machen oder Gefahr mit dem Verzuge verbunden ist,
können“ im Wege des Nothgesetzes (s. o. §8 IV) „mit Bewilligung des Ausschusses
die Steuern erhöht und neue Steuern auferlegt werden, jedoch nicht länger als auf
6 Monate“. Solche Steuerverwilligungen verlieren in dem Augenblicke ihre Kraft, wo
die baldthunlichst zu berufende L. V. ihre Genehmigung versagt (N.L.O. 8§ 190). — Be-
hufs der Finanzverwaltung werden die dreijährigen Etats in 3 ein jährige zerlegt; die
Etats der beiden letzten Jahre werden dem Ausschusse zur „Berathung“ mitgetheilt (N.
L. O. § 189).
C. „Staatsanleihen können nicht ohne Einwilligung der L.V. contrahirt
werden“ (N.L.O. § 187). Auf dem Wege des Nothgesetzes können, wie Steuerausschrei-
bungen (siehe vorstehend bei B), so Anleiheaufnahmen bis zu 100 000 Rthlr. (jedoch dieser
Betrag nur einmal vor dem nächsten Zusammentritt der L.V.), mit Zustimmung des
Ausschusses erfolgen.
D. Der Landesvertretung „steht das Recht der Aufsicht über das Finanzwesen
zu“"“. Um dasselbe zu üben, erhält die L.V. die das effective Ergebniß des Staatshaus-
haltsetats (der Haupt-Finanz-Kasse) und der Kloster-Reinertrags-Kasse nach den Etats-
Abtheilungen nachweisenden „Executions-Etats“ der abgelaufenen Finanz-Periode,
1) Eine Ausnahme in § 180 der N.L.O., wonach ohne Bewilligung Lasten und Leistungen
aufzubringen und zu tragen, welche „außerordentlicher Weise zur Abwendung einer plötzlichen all-
gemeinen Landesgefahr“ erforderlich.
2) Die jetzigen direkten Staatssteuern sind a) eine, fruchttragende Grundstücke (auch Forsten)
und Wohngebäude treffende Grundsteuer (G. v. 24. August 1849 Nr. 33, 23. März 1854
Nr. 17, 20. April 1855 Nr. 22, 11. Mai 1870 Nr. 51, 20. März 1873 Nr. 13, 31. März 1861
Nr. 20, 3. Febr. 1880 Nr. 3, 12. Dez. 1882 Nr. 49), b) eine, ein Gemisch von eigentlicher Klassen-
steuer und Einkommensteuer repräsentirende Personalsteuer (Ges. v. 29. Juni 1864 Nr. 33,
11. April 1870 Nr. 40, 8. November 1873 Nr. 57), ch eine Gewerbesteuer (G. v. 16. No-
vember 1870 Nr. 111, 20. März 1873 Nr. 13). "„
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