134 Otto, Das Staatsrecht des Herzogthums Braunschweig. 8 11.
zum Schulbesuche (,„Schulpflichtigkeit"“), deren Erfüllung der Staat im Ungehorsams-
falle durch Anwendung von Ordnungsstrafen, von strafrechtlicher Verfolgung (wegen Ueber-
tretung) und von polizeilichen Zwangsmaßregeln gegen die verantwortlichen Hüter der
Kinder, bezw. gegen letztere selbst herbeiführt 1). — Die allgemeinen Anstalten, in welchen
die Schulpflicht der Regel nach zu erfüllen, sind die „vangelisch-lutherischen
Gemeindeschulen“. „Jede Gemeinde muß eine Gemeindeschule haben“ in der allen
Schulpflichtigen des Bezirks, auch den anderen Confessionen Angehörenden, Aufnahme zu ge-
währen ist 2). — Jede Schule soll nach dem die Gemeindeschulen organisirenden Gesetze vom
8. Decbr. 1851 Nr. 53 einen „Schul vorstand“, dessen Mitglieder sich zur evange-
lisch-lutherischen Confession bekennen müssen, haben, zusammengesetzt bei regelmäßigen Ver-
hältnissen ) in den Landgemeinden aus dem Geistlichen, dem Gemeindevorsteher, je einem
Mitgliede des Kirchenvorstandes und des Gemeinderathes, in den Stadtgemeinden in ana-
loger Weise. Die Schulvorstände haben „vorzugsweise für die äußeren Angelegen-
heiten der Schule zu sorgen," verwalten diese und insbesondere das Schulvermögen, ent-
werfen die Voranschläge für die Schulkasse, vertreten die Schule gegenüber der Gemeinde,
welche die durch andere Einnahmen (Schulgeld, Zuschüsse aus dem Kloster= und
Studienfonds an die Gemeinden u. s. w.) nicht gedeckten Geldbedürfnisse aus der Ge-
meindekasse zu befriedigen verpflichtet ist, und ebenso im Rechtsverkehre Dritten gegenüber.
Hinsichtlich ihrer inneren Verhältnisse (Unterrichtsmethode, Schulzucht) stehen die Landschulen
und deren Lehrer unter dem Ortsgeistlichen, bezw. den über diesen in größeren Bezirken
functionirenden Schul-Inspectoren (Geistlichen). Die Stadtschulen stehen in der Regel unter
einem vom Landesfürsten ernannten Dirigenten. Ueber allen vorbezeichneten Organen
steht das mit der Oberaufsicht im Gemeindeschulwesen und mit der Oberleitung desselben
speciell betraute Consistorium "), das in dieser Beziehung dem Staatsministerium als der
obersten Landesverwaltungsbehörde untergeordnet ist?).
Was die übrigen Unterrichtsanstalten betrifft, so ist aus dem „die Errichtung einer
Ober-Schulcommission und die staatiche Beaufsichtigung der Unterrichtsanstalten be-
treffenden“ G. v. 8. April 1876 Nr. 37 hervorzuheben, daß die technische Hochschule in
Braunschweig unmittelbar unter dem Staatsministerium steht, daß Leitung und Beauf-
sichtigung der übrigen höheren staatlichen Lehranstalten (Gymnasien) einer Ober-
Schulcommission, bestehend aus dem betr. Departements-Minister als Vorsitzendem
und aus von der Regierung zu ernennenden Mitgliedern, welche nicht Fachmäner zu sein
brauchen, übertragen, daß bezüglich höherer Gemeinde-Lehranstalten die Regierung er-
mächtigt ist, dieselben nicht dem Consistorium, sondern einem „rein staatlichen Organ" zu
unterstellen, daß endlich bezüglich aller anderen öffentlichen oder Privat-Schulen und
Lehranstalten das Staatsministerium über Leitung und Aufsicht im einzelnen Falle das Er-
forderliche anzuordnen hat.
1) G. v. 23. April 1840 No. 11, 12. Mai 1840 No. 20, vgl. mit Consistorialausschreiben
v. 20. Januar 1841 No. 4, G. v. 10. April 1867 No. 17, 27 Nov. 1872, No. 2 de 1873, § 13.
2) Es bestehen in einigen Gemeinden auch katholische Schulen. (§§ 8 nnd 12 G. v. 10.
Mai 1867 No. 32.)
# 3) Der Verschiedenheit der in Betracht kommenden thatsächlichen Verhältnisse tragen hier,
wie überhaupt im Gesetz, besondere Bestimmungen Rechnung, so z. B. dem Vorkommen der Ver-
einigung mehrerer Gemeinden zu einem Schulverbande.
4) Dem Consistorium „wird stets ein hauptsächlich für das Gemeindeschulwesen bestimmtes
Mitglied angehören.“ § 21 des G. v. 8. Dec. 1851 No. 73, Verordnung v. 14. April 1814 No. 55.
5) Gemeinsam sind Gebiet und Angehörige dem Gemeinde-Schulverbande und der politischen
Gemeinde. In ihrer Organisation scheiden sich beide grundsätzlich. Man wird die Schulverbände
trotz der nahen sachlichen Beziehungen zu den Gemeinden ihrem rechtlichen Wesen nach als neben
letzteren bestehende, dem öffentlichen Rechte angehörende Corporationen anzusehen haben. Daß den
Schulen bezüglich ihres Vermögens juristische Persönlichkeit zukomme, ist ein anerkannter Rechtssatz.