138 Pietscher, Das Staatsrecht des Herzogthums Anhalt. § 2.
den Adel aufhob, das Militär als Volkswehr erster Klasse charakterisirte u. s. w. Durch eine
landesherrliche Verordnung vom 4. November 1851 ist diese Verfassung wieder aufgehoben worden.
In Bernburg wurde am 14. December 1848 ein Landesverfassungsgesetz oktroyirt, welches
dem preußischen vom 5. desselben Monats nachgebildet war. — Mit dem auf Grund dieser Ver-
fassung gewählten Landtage ward jenes Gesetz revidirt, und am 28. Februar 1850 ist ein neues
Landesverfassungsgesetz erlassen worden, das — abgesehen von inzwischen erfolgten Aenderungen
einzelner Verfassungsbestimmungen — bis zum Jahre 1859 in Wirksamkeit geblieben ist.
Am 18. Juli und am 31. August 1859 erließen die Herzöge von Anhalt-Dessau-
Cöthen und von Anhalt-Bernburg ein „Publikationspatent“", mittels dessen sie eine neue
„Landschafts= und Geschäftsordnung“ — übereinstimmend für beide Länder — verkündeten,
die mit dem 1. Oktober desselben Jahres in Kraft trat. In Dessau-Cöthen geschah dies
auf dem Wege landesherrlicher Verordnung, in Bernburg unter Zustimmung des Land-
tags. Ein Theil der Bernburger Verfassungsbestimmungen blieb in Kraft, er ist jetzt
ohne praktische Bedeutung: reichsgesetzliche Vorschriften sind an die Stelle getreten und die
Gesetzgebung des 1863 vereinigten Herzogthums Anhalt hat, was sonst übrig blieb, durch-
gängig anderweit geregelt.
Die neue „Landschaftsordnung“ schuf einen Gesammtlandtag (für ganz Anhalt) und
Sonderlandtage für die beiden Länder.
Der Gesammtlandtag ist zu einer einzigen — lediglich formellen — Sitzung zu-
sammengetreten, im übrigen sind bis 1863 nur die Sonderlandtage in Wirksamkeit gewesen.
Nach dem Erlöschen der Bernburger Linie gab es nur noch einen anhaltischen
Gesammtlandtag, die Sonderlandtage fielen weg.
Die Landschaftsordnung mit der dazu gehörigen Geschäftsordnung ist durch mehrere
Gesetze (aus den Jahren 1871, 1872, 1873, 1874 und 1876) auf dem verfassungsmäßigen
Wege vielfach geändert worden.
Zmeiter Abschnitt.
Bie staatlichen IOrgane und Tunktionen.
§ 2. Das Staatsoberhaupt. I. Allgemeine Grundsätze. Bereits nach
Auflösung des Deutschen Reiches im Jahre 1806 wurden die Anhaltischen Fürsten
„souverän“, und der Herzog von Anhalt ist in dieser Souveränität nur durch seine
Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche beschränkt. Er ist der Träger der Staatshoheit
und übt die Regierungsgewalt und die Gesetzgebung, soweit er nicht an die Mit-
wirkung des Landtags gebunden ist. (s. unten.) Sein Begnadigungsrecht umfaßt auch
die Abolition.