Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

88. Die Gemeindeverfassung. 161 
lösung des Accessionsvertrags gehalten werden soll, ist bereits erwähnt; jedoch ist noch 
hinzugefügt, daß diejenigen Beamten, welche in den preußischen Staatsdienst übertreten 
wollen, auf etwaigen Wunsch des Fürsten verpflichtet sein sollen, noch zwei Jahre gegen 
Fortgewährung der bezogenen Competenzen im waldeckschen Staatsdienste zu verbleiben. 
Im Uebrigen regeln sich die Verhältnisse der waldeckschen Beamten durch das Staats- 
dienstgesetz v. 9. Juli 1855 und die inzwischen ergangenen Disciplinargesetze, ferner durch 
die Verordnung wegen der Staatsdienerwittwenkasse vom 27. Juni 1828 (ausgedehnt auf 
Förster und Geistliche durch Ges. v. 24. Dec. 1840, auf die öffentlichen Lehrer durch Ges. 
v. 18. Okt. 1849), sowie durch das Gesetz vom 17. Sept. 1875 betr. die Gewährung von 
Wohnungsgeldzuschüssen an die unmittelbaren Staatsbeamten. 
Auch die Domanialverwaltung hat in Folge ihrer vollständigen Lostren- 
nung von der Staatsverwaltung eine neue Einrichtung erhalten müssen. Dieselbe ist durch 
V.O. v. 18. December 1867 erfolgt. Die Rechtsverhältnisse der Domanialbeamten 
sind durch eine V.O. vom gleichen Tage, sowie durch die V.O. v. 11. Okt. 1870 betr. 
die Berufungsinstanz bei Pensionirungen, Suspendirungen und Entlassung fürstl. Do- 
manialbeamter (am 21. Febr. 1879 auf die Dauer des Vertrags v. 24. Nov. 1877 aus- 
gedehnt) geregelt. Neu anzustellende Domanialbeamte sind, gleich den Geistlichen und 
Lehrern, auch ferner nach den bestehenden Bestimmungen an der Staatsdienerwittwenkasse 
theilzunehmen berechtigt. Die Domanialbeamten sind für den Fall der Wiederherstellung 
des früheren politischen Zustandes verpflichtet, in den waldeckschen Staatsdienst einzutreten. 
§ 8. Die Gemeindeverfassung. Den Orts= und Kreisgemeinden ist in der Verfassung 
die „freie Selbstverwaltung“ ihrer Angelegenheiten unter gesetzlich geordneter Oberaufsicht 
des Staates zugesichert. Die in Zusammenhang damit in Aussicht gestellte Gesetzgebung 
besteht aus der Gemeindeordnung und der Kreisordnung, beide v. 16. Aug. 1855. 
Die Gemeinden werden in allen ihren korporativen Angelegenheiten durch einen selbstge- 
wählten Gemeinderath als beschließende und durch einen Gemeindevorstand als ausübende Be- 
hörde vertreten. Beide werden aus der Zahl der zur Ausübung des Gemeinderechts befähigten 
Gemeindeglieder auf 6 Jahre gewählt, und zwar ersterer durch die in die obenerwähnten drei 
Abtheilungen eingetheilte Gesammtheit der Gemeindebürger, letzterer durch den Gemeiuderath. 
Der Gemeindevorstand besteht aus dem Bürgermeister und in Orten über 1000 Einw. zwei, in 
Orten unter 1000 Einw. einem Beigeordneten. Der Bürgermeister bedarf der Bestätigung der 
Regierung. Ueber andere als Gemeindeangelegenheiten kann der Gemeinderath nur insoweit 
berathen, als ihm dieselben durch besondere Gesetze oder durch die Regierung zugewiesen sind. 
Der Gemeinderath wählt jährlich einen Vorsitzenden aus seiner Mitte. Die Sitzungen sind 
öffentlich. Der Gemeindevorstand nimmt an den Berathungen, nicht aber an den Abstimmungen 
theil. Der Bürgermeister ist berechtigt und verpflichtet, jeden Beschluß des Gemeinderaths, der 
dessen Befugniß überschreitet oder die Gesetze verletzt, vorläufig zu suspendiren. Die Verfügung 
über das Gemeindevermögen steht ausschließlich dem Gemeinderath zu, jedoch ist zur Verwendung 
von Kapitalien für die laufende Verwaltung die Zustimmung des Kreisvorstandes, zur Aufnahme 
von Anleihen die Genehmigung der Regierung erforderlich. Gemeindeumlagen müssen in der Regel 
nach dem Fuße der direkten Staatssteuern erhoben werden; Zuschläge, welche die Hälfte des Be- 
trags der direkten Staatssteuern überschreiten, bedürfen der Genehmigung der Regierung. 
Von den Gemeindesteuern befreit sind nach Art. 10 der Militärconvention die in den 
Fürstenthümern garnisonirenden, einem andern Bundesstaate angehörenden servisberechtigten 
Militärpersonen des aktiven Dienststandes. Jedoch wird in dem Schlußprotokoll zu diesem Ar- 
tikel bemerkt, daß durch den Inhalt desselben der Reichsgesetzgebung nicht präjudizirt werden 
soll, „besonders nicht insoweit, als dieselbe etwa das Recht zu einer weiteren Heranziehung zu 
den Communalsteuern einräumen sollte.“ 
Die nächste Aufsicht über die Verwaltung der Ortsgemeinden wird vom Kreis- 
rath (Kreisamtmann) bezw. dem Kreisvorstande, die Oberaufsicht von der Re- 
gierung geführt. Gegen alle Entscheidungen der Gemeindebehörden kann beim Kreis- 
rath bezw. Kreisvorstande, weiterhin bei der Regierung Recurs erhoben werden. 
Die zu einem Kreise gehörenden Ortsgemeinden bilden in ihrer Vereinigung die 
Kreisgemeinde. Bestimmung derselben ist, die socialen Bedürfnisse im Kreisverbande 
zu befriedigen, welche über die engeren Grenzen der Orts= bezw. Sammtgemeinden hin- 
Handbuch des Oesffentlichen Nechts. III. 2.1. 11
	        
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