83. Das Staatsoberhaupt. 155
neben der Reichscompetenz überhaupt noch besteht. Verträge, durch welche dem Staate
Lasten oder einzelnen Staatsangehörigen Verpflichtungen auferlegt werden, bedürfen zu
ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Stände. Uebrigens ist in dem Accessionsvertrage
ausdrücklich bemerkt, daß die durch die auswärtige Vertretung entstehenden Kosten wie
bisher aus der Landeskasse bestritten werden.
Die pekuniären Rechte des Fürsten sind vorzugsweise durch die Rechts-
verhältnisse des Domaniums bedingt. Diese Verhältnisse sind lange streitig
gewesen.
Durch das Staatsgrundgesetz von 1849 wurde das Domanialvermögen für Staatsgut
erklärt, was jedoch durch § 26 der Verf. von 1852 wieder ausgehoben wurde. Die Sache war
damit in den früheren streitigen Stand zurückversetzt. Als Anlage zur Verfassungsurkunde wurde
zwar eine Reihe von Bestimmungen über die Verhältnisse des Domanialvermögens publizirt,
jedoch die definitive Vereinbarung über die letzteren mit den Ständen vorbehalten. Diese Ver-
einbarung ist erfolgt durch einen zwischen fürstl. Regierung und den Ständen am 16. Juli 1853
abgeschlossenen, vom Fürsten am 15. Nov. 1853 genehmigten, jedoch erst am 28. Okt. 1856 ver-
öffentlichten Receß. Der Streit wird freilich auch durch diesen nicht entschieden; vielmehr wird
ausdrücklich konstatirt, daß die Eigenthumsverhältnisse des Domaniums „im Einverständniß beider
Theile dermalen einer Prüfung nicht unterworfen worden seien,“ und es „hinsichtlich der Rechte
des fürstlichen Hauses an dem Domanialvermögen bei dem durch die Verfassungsurkunde vom
17. Aug. 1852 wieder hergestellten Verhältnisse verbleibe."“ Dagegen hat der Receß durch Aus-
scheidung aller derjenigen Rechte und Gerechtsame, welche lediglich als Ausfluß der Landeshoheit
zu betrachten sind, den „Activstand des Domanialvermögens einfürallemal festgestellt und jeden
Streit über die Domanialnatur der Rechtstitel, auf denen die einzelnen Domanialintraden be-
ruhen, vergleichweise erledigt.“ Im Uebrigen wurde, laut Separatprotokoll zum § 10 des Re-
cesses, „anerkannt, daß die Einkünfte des Domanialvermögens an erster Stelle für den standes-
mäßigen Unterhalt des regierenden Fürstenhauses, darüber hinaus aber zugleich für allgemeine
Landesverwaltungszwecke zu verwenden sind, und daß insoweit, als dieselben für jene nächste
Bestimmung nicht ausreichen, das Land seinerseits hierfür eintreten muß.“ Diesem Grundsatze
entsprechend wurde bestimmt, daß zum Behufe der Bestreitung des standesgemäßen Unterhalts
des fürstlichen Hauses gewisse Naturalien aus den vorhandenen Domanialbeständen entnommen
werden sollen, außerdem aber der Fürst für sich und seine Nachfolger in der Regierung einfür-
allemal eine Grenze bezeichnen wolle, „innerhalb welcher es dem Ermessen des regierenden Fürsten
vorbehalten bleibt, die jährlichen Baarentnahmen aus den Domanialeinkünften je nach den Be-
dürfnissen des fürstlichen Hauses und unter Berücksichtigung der Kräfte des Landes zu bestimmen.“
In Bezug auf letzteren Punkt erklärten jedoch die Stände in dem erwähnten Separatprotokoll,
„daß sie zwar im Vertrauen darauf, daß Seine Durchlaucht die Kräfte des Landes ermessen und
nur den nöthigen Bedarf berücksichtigen werde, Höchstdemselben die erforderliche Summe für
diesmal zu bezeichnen überlassen, hiermit aber ihren Rechten nichts vergeben und auf eine ver-
fassungsmäßige Vereinbarung für etwaige künftige Fälle in keiner Weise verzichten wollen."
Der regierende Fürst Georg Victor hat alsdann gleichzeitig mit der Genehmigung des Rezesses
jene Grenze auf 70 000 Thaler festgesetzt. Betreffs des diese Summe überschreitenden Reinüber-
schusses aus dem Domanialvermögen wurde bestimmt, daß derselbe bis zur Höhe von 10 000 Tha-
lern ganz dem Lande überlassen und darüber hinaus zu gleichen Hälften zwischen dem Lande
und dem Fürsten getheilt werden sollte. Die Verwaltung des Domanialvermögens sollte von
der Regierung unter verfassungsmäßiger Verantwortlichkeit, jedoch getrennt von der Staatsfinanz-
verwaltung, geführt und derselben ständischen Kontrole wie diese unterworfen werden. „Insbe-
sondere“, heißt es in § 6, „bedürfen Veräußerungen und Verpfändungen der Domanialstücke
sowie Dispositionen, durch welche die Substanz des Domaniums verringert werden würde, ihrer
(der Stände) Zustimmung. Die Einnahmen und Ausgaben der Domanialverwaltung bilden
Positionen des ordentlichen Budgets.“
Der so geschaffene Rechtszustand erlitt eine erhebliche Aenderung durch den Accessionsver--
trag vom 18. Juli 1867. Derselbe beließ die Verwaltung des Domanialvermögens dem Fürsten
mit dem Hinzufügen: „Es findet ebensowenig einerseits ein Geldbeitrag des Domaniums zu den
Landesausgaben wie andererseits eine Mitbenutzung der Landesdienststellen durch die Domanial-=
verwaltung statt.“ Der Fürst hatte also während der zehnjährigen Dauer jenes Vertrags die
Nutznießung des gesammten Domanialvermögens. In dem neuen Vertrage vom 24. Nov. 1877
ist man zu den Grundlagen des früheren Verhältnisses zurückgekehrt, indem nunmehr hinsichtlich
der Beitragspflicht des Domanialvermögens zu den Landesausgaben, sowie hinsichtlich der dem
Fürsten aus den Domanialeinkünften zustehenden Einnahmen die rezeßmäßigen Vereinbarungen
vom 16. Juli und 15. Nov. 1853 wieder Platz greifen. Zugleich hat sich die preußische Re-
gierung die Befugniß ausbedungen, sich durch Einsicht der Etats-Rechnungen und -Akten der
fürstlichen Domanialverwaltungsbehörde davon zu überzeugen, daß der Beitrag des Domaniums
zu den Landesausgaben, wie er von dieser Behörde berechnet wird, den vorerwähnten rezeß-
mäßigen Vereinbarungen entspricht. Nicht minder steht der preußischen Regierung in Bezug auf