Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

§ 1. Geschichtliche Entwickelung. Staatsgebiet. 7 
Es wurden die Herrschaft Stargard und das Fürstenthum Ratzeburg als selbstständiges Her- 
zogthum Mecklenburg-Strelitz formirt und an den Herzog Adolf Friedrich abgetreten, 
welcher Reichs- und Kreisstandschaft jedoch nur für das Fürstenthum Ratzeburg erwarb, während 
Schwerin die Stimme des Herzogthums Güstrow behielt. Das gesammte übrige Land, einschließ- 
lich der Stadt Rostock und der rostocker Gemeinschaftsörter, welche von jetzt der rostocker Di- 
strikt heißen, verblieben dem Herzogthume Mecklenburg-Schwerin. 
Eine wichtige Territorial-Veränderung hat seitdem nur das Herzogthum Mecklenburg-Schwe- 
rin erfahren, indem es durch den Malm öer Traktat vom 26. Juni 1803 die im West- 
phälischen Frieden an Schweden verlorenen Gebiete wiedererwarb. Gegen eine Anleihe von 
1250 000 Thaler Banko erhielt Mecklenburg-Schwerin die Herrschaft Wismar nebst der Insel Poel 
mit allen Hoheitsrechten zum antichretischen Pfandbesitze auf 100 Jahre mit dem Vorbehalte still- 
schweigender Verlängerung auf weitere 100 Jahre und mit der Maßgabe, daß die Endigung dieses 
Verhältnisses nur von Schweden, nicht aber von Mecklenburg begehrt werden kann. Mecklenburg 
hat nach Artikel 16 des Traktats weiter die Verpflichtung, Wismar weder selbst zu befestigen, 
noch seine Befestigung durch andere Mächte zu dulden, auch sind durch Artikel 17 der Stadt Wis- 
mar alle ihre Rechte und Privilegien ausdrücklich garantirt 7. 
Beide fürstliche Häuser haben seit 1815 den Titel und die Würde von Großherzogen 
angenommen, und es besteht gegenwärtig demnach das Großherzogthum Mecklen- 
burg-Schwerin aus dem Herzogthume Mecklenburg, dem wendischen Kreise des früheren 
Herzogthums Mecklenburg-Güstrow, der Stadt Rostock mit dem Rostocker Distrikte, dem 
Fürstenthume Schwerin und der Herrschaft Wismar. Dasselbe umfaßt ein Gebiet von 
13 303,8 qkm mit (nach der Zählung von 1880) 577055 Einwohnern. Das Groß- 
herzogthum Mecklenburg-Strelitz dagegen besteht aus der Herrschaft Stargard 
und dem Fürstenthume Ratzeburg. Das Fürstenthum Ratzeburg hat jedoch, im Gegensatze. 
zu dem Fürstenthume Schwerin, welches in dem schweriner Territorium vollständig auf- 
gegangen ist, neben der Herrschaft Stargard eine selbstständige Existenz behauptet und ist 
namentlich ohne jede Theilnahme an der landständischen Verfassuug des L.G.G.E.V. ge- 
blieben, so daß die Verbindung der Herrschaft Stargard mit dem Fürstenthume Ratzeburg 
einen unionartigen Charakter hat und man im engeren Sinne nur die Herrschaft Stargard 
als Mecklenburg-Strelitz bezeichnet. Einschließlich des Fürstenthums Ratzeburg ist Meck- 
lenburg-Strelitz 2995,5 qkm groß und hat 100 269 Einwohner. 
Beide Großherzogthümer traten am 15. Juni 1867 dem Norddeutschen Bunde bei. 
Schon mittelst Vertrages vom 21. August 1866 waren beide Landesherrn dem zum Zwecke 
der Gründung des Norddeutschen Bundes geschlossenen Bündnisse vom 18. August 1866 beigetreten; 
sie hatten jedoch ausdrücklich die Einwilligung der Mecklenburgischen Landstände zu denjenigen Ar- 
tikeln dieses Bündnißvertrages vorbehalten, welche eine bundesstaatliche, unter Mitwirkung eines 
Parlaments zu errichtende Bundesverfassung zum Gegenstande hatten. Die ständische Einwilligung 
wurde auf dem Landtage 1866 ertheilt, jedoch ständischerseits bedungen, daß der Verfassungs-Ent- 
wurf dem Landtage demnächst zur verfassungsmäßigen Erklärung vorgelegt werde. Dies geschah 
auf dem Landtage von 1867, auf welchem der Entwurf angenommen wurde. Doch sprachen Stände 
die „zuversichtliche Erwartung“ aus, daß die Landesherrn bei der unbestimmten und höchst bedenk- 
lichen Tragweite des Artikels 78, wegen Veränderung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, in 
eine Kompetenzerweiterung des Norddeutschen Bundes, wenn etwa die Befugniß dazu aus Artikel 
78 hergeleitet werden sollte, durch Abgabe ihrer Stimmen niemals ohne vorhergegangene Zustim- 
mung der Stände willigen werden. 
Auch die Seestadt Rostock suchte ihre erbvertragsmäßigen Rechte durch protokollarische Re- 
servation thunlichst zu sichern. 
In Grundlage dieses ständischen Beschlusses purifizirten beide Landesherrn ihre Beitrittser- 
klärung und wurde die Verfassung des Norddeutschen Bundes in beiden Großherzogthümern durch 
V.O. vom 15. Juni 1867 publizirt. 
Das Verhältniß beider Länder zu einander wurde im Hamburger Ver- 
gleiche dahin präzisirt, daß jede der regierenden Linien des landesherrlichen Hauses in 
ihrem Territorium vollständige staatsrechtliche. Selbstständigkeit und ausschließliche Landes- 
hoheit genießen sollte. Indeß war die Trennung, soweit das Verhältniß der Herrschaft 
1) Daß die Wiedervereinigung Wismars mit Mecklenburg als eine definitive anzusehen ist, 
bedarf nach der politischen Entwickelung Deutschlands kaum der Bemerkung.
	        
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