162 Böttcher, Das Staatsrecht des Fürstenthums Waldeck. 8 9.
ausreichen. Die Kreisgemeinde wird durch den Kreisvorstand als beschließende und
den Kreisrath als ausführende Behörde vertreten. Ersterer, aus sechs Mitgliedern
bestehend, wird durch von den Gemeinderäthen ernannte Wahlmänner auf sechs Jahre
gewählt. Der Kreisrath ist Staatsbeamter. Die Sitzungen des Kreisvorstandes sind
der Regel nach öffentlich. Den Vorsitz führt der Kreisrath, jedoch ohne eigenes Stimm-
recht. Ueber die Verwaltung der Kreisgemeinde führt die Regierung die Oberaufsicht.
§ 9. Das Finanzwesen. Finanzverwaltung. Nach der Verfassung besteht
eine dreijährige Finanzperiode, vor deren Beginn der Staatshaushaltsetat entworfen, mit
den erforderlichen Erläuterungen und Belegen den Ständen vorgelegt und mit denselben
durch ein Gesetz im Ganzen oder Einzelnen festgestellt wird. Verzögert sich nach Ablauf
der Bewilligungszeit das Zustandekommen eines neuen Finanzgesetzes, so dürfen die für
den ordentlichen Staatsbedarf verwilligten Abgaben und Steuern noch sechs Monate hin-
durch forterhoben werden. Jede Bewilligung gilt nur für den besonderen Zweck, für
welchen sie bestimmt ist. Die Verwendung darf nur innerhalb der Grenzen der Verwil-
ligung erfolgen. Nach Anleitung des Staatshaushaltsetats wird jährlich Rechnung ge-
legt. In näherer Ausführung dieser Grundsätze der Verfassung ist die V.O. v. 11. Dec.
1852, die Regulirung des Etats-, Kasse= und Rechnungswesens betr., ergangen.
Die dauernden Staatseinnahmen setzen sich zusammen aus den Revenuen des Staats-
vermögens, dem Ertrage der Steuern, aus Zinsen, aus den Beiträgen des Domaniums
zu den Landesverwaltungskosten, aus dem Antheil an dem Ertrage der Zölle u. s. w.
(§ 8 des Reichsges. v. 15. Juli 1879), endlich aus dem zur Deckung des Deficits erfor-
derlichen Zuschusse der preußischen Staatskasse. Von dem Verhältniß des während der
Dauer des Accessionsvertrags in der Verwaltung des Fürsten verbliebenen Domanialver=
mögens ist bereits oben gehandelt worden.
In dem Vertrage v. 18. Juli 1867 war auch die Verwaltung des Stiftes Schaaken
dem Fürsten vorbehalten, durch den neuen Vertrag ist sie indeß, gleich der übrigen Landesver-
waltung, auf Preußen übergegangen. Ueber die Verwendung der Einkünfte dieses ehemaligen
adeligen Fräuleinstiftes hat lange Streit bestanden. Derselbe ist durch Ges. v. 3. März 1880
endlich dahin entschieden, daß der Grundbesitz und ein Theil des Kapitalbestandes für ein „Wald-
ecksches Jungfrauenstift Schaaken“ ausgeschieden und der Verwaltung des Fürsten unterstellt, das
nicht ausgeschiedene Vermögen aber zu einem besondern Stiftungsfonds unter staatlicher Ver-
waltung erklärt ist, dessen Einnahmen zu gewissen wohlthätigen Zwecken verwandt werden.
Die Steuern zerfallen in directe und indirecte. Zu den directen gehören die
Grundstener, die Klassensteuer, die Gewerbesteuer und die Hundesteuer; auch die Sporteln
werden hierher gerechnet. Die Grundsteuer beruht hauptsächlich auf dem Gesetz vom 20.
Juli 1853 wegen Erhebung der durch das definitive Kataster ermittelten Grundsteuer und
wegen Erhaltung des definitiven Katasters (abgeändert durch Ges. v. 3. Jan. 1879). In
Bezug auf das definitive Kataster ist ein weiteres Gesetz unter dem 4. Jan. 1862 er-
gangen, in welchem bezüglich der späteren Revisionen und der inzwischen etwa eintreten-
den Veränderungen Vorsorge getroffen wird. Die Klassensteuer ist durch Ges. v. 7. Jan.Z
1865 neu geregelt. Ihr ist alles Einkommen mit Ausnahme des von der Gewerbesteuer
getroffenen unterworfen. Befreit sind diejenigen zu den drei untersten Unterabtheilungen
der ersten Stufe gehörigen Personen, welche das 60. Lebensjahr zurückgelegt haben. Für
die Gewerbesteuer ist das Gewerbesteuergesetz v. 26. Juni 1862 maßgebend. Gegenstand
dieser Steuer ist der selbständige Gewerbebetrieb innerhalb der Grenzen des Fürstenthums.
Die Hundesteuer beruht auf Ges. v. 20. Decemb. 1854. — Als indirecte Steuer wird
das Chausseegeld betrachtet.
Die Landesschulden sind laut § 88 der V.U. gewährleistet und die Rechte
aller Gläubiger des Staats dem besonderen Schutze der Verfassung unterstellt. Ohne Zu-
stimmung des Landtags können neue Landesschulden nicht gemacht werden. Nur wenn
durch plötzlich eingetretene Ereignisse in Kriegszeiten außerordentliche Ausgaben und des-