164 Böttcher, Das Staatsrecht des Fürstenthums Waldeck. 8 11.
in allen nicht rein geistlichen Angelegenheiten den hiesigen Staatsgesetzen untersteht und
auf die Verfassungsurkunde zu verpflichten ist". Der Bischof von Paderborn hat der
waldeckschen Regierung gegenüber die Anzeigepflicht stets, zuletzt im Jahre 1883, ohne
Weigern erfüllt.
Was die Juden anlangt, so sollen nach dem Gesetz über die Gemeinheiten der
Juden v. 15. Juli 1833 sämmtliche jüdische Glaubensgenossen zu Gemeinden vereinigt
werden, denen die Feier des öffentlichen Gottesdienstes in gemeinschaftlichen Synagogen
gestattet ist. Durch Ges. v. 30. Jan. 1863 ist den jüdischen Gemeinheiten das Recht der
executivischen Beitreibung der durch gültigen Gemeindebeschluß festgestellten Beiträge
verliehen.
8 11. Schul= und Unterrichtswesen. Dieses steht nach der waldeckschen Verfassung
unter der Oberaufsicht des Staates und wird durch besondere Gesetze geregelt, welche
zugleich die Stellung der Kirche zur Schule, sowie die Betheiligung der Gemeinden bei
Anstellung der Volksschullehrer ordnen. In Erfüllung dieses Versprechens ist die Schul-
ordnung v. 9. Juli 1855 ergangen.
Die Pflicht zur Errichtung und Unterhaltung der Volksschule liegt der Gemeinde ob. Zur
Erleichterung der Gemeindekasse soll jedoch, falls die Bedürfnisse nicht anderweit gedeckt sind, ein
regelmäßiges Schulgeld erhoben werden. Kann das Erfordniß von den Gemeinden nicht erbracht
werden, so tritt der Staat aushülflich ein. In Orten mit gemischter Confession sind
die Familien der confessionellen Minderheit „soweit thunlich“ mit benachbarten Schulen ihrer
Confession in Verband zu setzen. Sind aber in den letzten 10 Jahren mindestens 50 schulpflichtige
Kinder solcher Familien vorhanden gewesen, so müssen nach Confessionen getrennte Elementar-
schulen errichtet werden. Das Glaubensbekenntniß der Lehrer an den öffentlichen Schulen soll
dem Glaubensbekenntniß der Majorität der Schulgenossen entsprechen. Den Religionsunterricht
in den Schulen leiten und beaufsichtigen die geordneten kirchlichen Behörden, „jedoch unbeschadet
der staatlichen Hoheitsrechte“. Bei der Wahl des anzustellenden Lehrers muß sich die Staats-
behörde mit der oberen Kirchenbehörde der betr. Confession bezw. bei israelitischen Lehrern mit
dem Vorstande der Israelitengemeinde in Einvernehmen setzen. Der verstärkte Ortsschulvorstand
hat gegenüber den designirten Candidaten das Recht zweimaliger Verwerfung. Die Beaufsichti-
gung und Leitung des Schulwesens erfolgt unter der obersten Leitung und Aufsicht der Regierung
durch eine Oberschulbehörde, den Kreisschulvorstand und den in jeder Schulgemeinde zu bildenden
Schulvorstand. In letzterem führt der Ortsgeistliche der betr. Confession den Vorsitz. Auch der
Kreisschulvorstand hat ein vom Consistorium zu ernennendes geistliches Mitglied. Durch Erlaß
v. 9. März 1869 ist die Oberleitung des Schulwesens auf das Provinzialschulcolle-
gium in Kassel übertragen.