168 Bömers, Das Staatsrecht des Fürstenthums Schaumburg-Lippe. 8 2.
Zmeiter Abschnitt.
Die staatlichen Grgane und deren Funktionen.
§ 2. Der Landesfürst und das Fürstliche Haus. Das Reichsgräfliche, seit 1807 Fürst-
liche, Haus Schaumburg-Lippe ist durch den Grafen Philipp zur Lippe, jüngsten Sohn
des Grafen Simon VI., gegründet.
Als 1640 mit dem Grafen Otto V. der Schaumburgische Mannesstamm erlosch, überließ
Ottos Mutter Elisabeth, Gräfin zur Lippe, (ihre Mutter war eine Schaumburgische Gräfin) die
ihr erblich angefallene Grasschaft Schaumburg ihrem Bruder, dem Grafen Philipp, schenkweise;
Graf Philipp schloß sodann die oben erwähnten Vergleiche mit Braunschweig und Hessen.
Neben dem völlig selbstständigen Rechtsverhältnisse des Fürstlichen Hauses zu seinem
Schaumburger Gebiete, dessen staatsrechtlicher Titel der mehrerwähnte Vergleich mit
Hessen ist, kommt das Rechtsverhältniß zum Lippischen Gesammthause in Betracht. Bis
zum 1. Oktober 1879 (Gerichtsverfassungsgesetz) hatte das Fürstliche Haus die Patri-
monialgerichtsbarkeit über das Lippische Oberamt Blomberg, welches dem Philippinischen
Stamme aus der Paragialverlassenschaft der Grafen Lippe-Bracke angefallen war. Durch
das Mannheimer Oberhofgerichts-Austrägalurtheil vom 22. December 1838 wurde die
Souveränität über dieses Amt, welche von Schaumburg-Lippischer Seite schon wäh-
rend des Rheinbundes beansprucht war, dem Fürstlichen Hause zu Detmold zuerkannt, die
erbherrliche Linie Schaumburg-Lippe behielt aber die „vertragsmäßigen Patrimonialrechte
und untergeordneten Herrlichkeiten“. Alle Familienrechte des Lippischen Gesammt-
hauses stehen auch dem Fürstlichen Schaumburg-Lippischen Hause zu!).
Irrig ist die Auffassung, welche man hier und da ausgesprochen findet, daß das Haus
Lippe Rechtsnachfolger des Holstein-Schaumburgischen Hauses im Gebiete Schaumburg-Lippe sei.
Graf Philipp spricht in seinem als Haus. Gesetz gültigen Testamente aus: daß er „die Schaum-
burgischen Länder vermittelst Gottes Beistand selbsten erworben.“ Er war staatsrechtlich
Neo-Acquirent eines ganz neuen Territorial-Gebiets auf Grund von Staatsverträgen, und hat
daher auch das Haus Lippe nie für den Passiv-Stand der Schaumburgischen Grafen gehaftet. —
Die Rechtsstellung des Landesfürsten und des Regentenhauses ergiebt
sich, abgesehen von den Majestätsrechten und Ehrenrechten und soweit die Verhältnisse
des Fürstenhauses nicht durch Hausgesetze geregelt sind, aus dem Verfassungsgesetze vom
17. November 1868. Die Regierung ist erblich zunächst im Mannsstamme nach den Re-
geln der Erstgeburt und der Linealfolge. Das Erstgeburtsrecht hatte bereits Graf
Philipp in Betracht, daß „die Schaumburgischen Güter von ihm selbst erworben seien
und mit den Lippischen Gütern es schon in pacto unionis versehen sei, daß die Güter
ungetheilt bei dem Aeltesten in einem jeden Hause verblieben“, durch letztwillige Verord-
nungen unter Kaiserlicher Bestätigung von 1687 eingeführt. Die weibliche Linie succedirt
beim Erlöschen des Mannsstammes; den Vorzug bedingt Nähe der Verwandtschaft mit
dem letztregierenden Fürsten, bei gleicher Nähe entscheidet das Alter. Nach dem Ueber-
gange tritt wieder Vorzug des Mannsstamms und die für denselben geltende Erbfolge-
ordnung ein.
Eine Regentschaft findet bei Minderjährigkeit oder dauernder Verhinderung
1) S. Heffter, die Sonderrechte der souverainen Häuser Deutschlands p. 271.