172 Bömers, Das Staatsrecht des Fürstenthums Schaumburg-Lippe. 84.
II. Die jetzige Gestaltung des Landesfinanzwesens. Durch das Gesetz vom 1. August
1848 wurde bestimmt, die extraordinäre sog. Fräuleinsteuer solle nicht weiter erhoben
werden, dagegen sollten sämmtliche Grundstücke, welche bislang von der ordinären Steuer
befreit gewesen waren, die adlig freien Grundstücke, zur Contribution herangezogen wer-
den. Befreit sollten, gegen einen jährlichen Zuschuß in Landeskasse, die Domanialbesitzungen
sein, sowie die Grundstücke der Kirchen, Pfarren, Schulen und frommen Stiftungen. Auch
die Erbpächter, welche bislang nur zu dem Extraordinarium mit 1% des Erbpachtquan-
tums herangezogen waren, sollten die Grundsteuer entrichten. Durch das Verfassungsge-
setz vom 17. November 1868 wurde die Trennung des Staatshaushalts vom Domanial=
haushalte herbeigeführt. Es wurde ein Domanialabkommen getroffen, nach welchem die
zum Domanium gehörigen Vermögensobjekte und die demselben zustehenden Gerechtsame,
ferner der diesseitige Antheil an den Schaumburger Gesammt-Kohlenwerken als untheil-
bares und in seinem wesentlichen Bestande unveräußerliches Fideicommißgut dem regie-
renden Fürstenhause zugestanden wurden; der neu gebildeten Landeskasse wurden alle bis-
lang in die Kammerkasse geflossenen Staatseinnahmen, sowie alle gesetzlich bestehenden und
künftig einzuführenden directen und indirecten Steuern überwiesen, wogegen dieselbe die
im Art. 61 des Gesetzes aufgeführten Ausgaben, worunter die Kosten der gesammten
Landesverwaltung, übernahm. Durch Gesetz vom 3. Februar 1871 wurde eine klassificirte
Einkommensteuer eingeführt, womit die unbeständigen Contributionen der Unterthanen,
soweit dieselben von der Person und dem Viehstande zu entrichten waren, in Wegfall
kamen. Diese Einkommensteuer ist in 4 Hauptklassen, in jeder Hauptklasse nach Abstufungen
veranlagt. Für jeden Steuerdistrict ist eine Umlage-Commission gebildet, deren Vorsitzen-
den und deren Mitgliederzahl die Regierung bestimmt. Der Vorsitzende hat als Regie-
rungscommissar die Interessen des Staates zu vertreten; er ist berechtigt, gegen die Be-
schlüsse der Umlage-Commission Berufung an die Reclamations-Commission einzulegen.
Diese Reclamations-Commission, welcher die Entscheidung über Reclamationen und die
von dem Regierungs-Commissar eingelegten Berufungen obliegt, besteht aus einem Vor-
sitzenden, den die Regierung, und aus sechs Mitgliedern, welche der Landtag jedesmal auf
drei Jahre ernennt. Die Kosten der Steuerveranlagung und deren Hebung hat die Lau-
deskasse zu tragen. Die Gemeindesteuern können nach dem Gesetze vom 6. Februar
1871 in Zuschlägen zu den directen Staatssteuern und in besonderen directen oder indi-
recten Gemeindesteuern bestehen. Ueberschreiten die Zuschläge 50 Procent der Staats-
steuern, so bedürfen sie der Genehmigung der Regierung. Die Beitreibung rückständiger
Steuern im Wege der administrativen Zwangsvollstreckung ist durch Gesetz vom 5. März
1881 geregelt. Die obere Leitung in der Verwaltung der in die Reichskasse fließenden
indirecten Steuern ist der Provinzial-Steuer-Direction zu Hannover übertragen.
III. Vom Domanium, einzelnen Hoheitsrechten und Finanzregalien, sowie von der Ab-
lösungsgesetzgebung. Daß die zum Domanium gehörigen Vermögensobjecte und die demselben
zustehenden Gerechtsame, Güter wie einzelne Grundstücke, Forsten, Flüsse und Gewässer, Lehns-,
gutsherrliche und andere Gefälle, resp. deren Aequivalente, Schlösser und sonstige Gebäude, wie
auch die Steinkohlenbergwerke das alte Stammes-Eigenthum des Regentenhauses und nicht
Staatseigenthum gewesen sind, muß auf Grund geschichtlicher Untersuchungen der concreten Spe-
cialverhältnisse angenommen werden. Die hierüber entstandenen Controversen haben nach dem oben
erwähnten Domanialabkommen nur noch historisches Interesse.
Die Lehenshoheit steht dem Fürsten, als dem Inhaber der Staatsgewalt
über die im Fürstenthum befindlichen Lehen, zu; die Lehensherrlichkkeit ist durch
Gesetz vom 30. November 1878, betr. die Aufhebung des Lehnsverbandes, aufgehoben;
nicht berührt von jenem Gesetze sind die auf vier oder weniger Augen stehenden Lehen.
Für die Aufhebung des Heimfallsrechts und der Lehnwaare sind Kapitalsentschädigungen
zu gewähren. Das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden, welches ausschließ-
liche Befugniß des Landesherrn war (nur der Adel hatte sich ein beschränktes Jagdrecht