180 Falkmann, Das Staatsrecht des Fürstenthums Lippe. 8 2.
Bweiter Abschnitt.
Bie staatlichen Grgane und Tunctionen.
§ 2. Der Fürst und das Regentenhaus. Das Fürstliche Haus, dessen Ursprung
sich urkundlich bis um das Jahr 948 zurückverfolgen läßt, und das seit Anfang des 12.
Jahrhunderts unter dem Namen de Lippia vorkommt, führt im Wappen eine fünfblättrige
rothe Rose im silbernen Felde und seinen Namen „zur Lippe“ von dem Flusse, an
welchem seine Stammbesitzungen lagen. Von der Lippe hat es seine Herrschaft allmählig
nach der Weser zu erweitert. Seine früh entwickelte Landeshoheit beruht auf der Grund-
herrlichkeit, nicht auf einem Grafenamte. Reichslehen haben die lippischen Herren nie-
mals besessen, sie selbst nannten sich auch nicht Grafen, wie alle kleineren Territorialherren
der Nachbarschaft, obwohl sie im 14. Jahrh. bereits im Besitz einer Grasschaft waren,
sondern nobiles oder liberi domini, Edle Herren zur Lippe, und hielten an dieser Bezeich-
nung während des ganzen Mittelalters bis um 1530 fest.
Eine staatsrechtliche Eigenthümlichkeit im lippischen Hause und Lande ist die unge-
wöhnlich frühe Einführung und dauernde Erhaltung der Untheilbarkeit, fast gleich-
zeitig mit der Aufstellung dieses Princips für die Kurstaaten durch die goldene Bulle.
Die Veranlassung dazu gab eine Theilung vom Jahre 1344, durch welche das Land in
die Herrschaft diesseits und jenseits des Waldes (Osning) zerrissen und letztere in die Hand
weiblicher Erben gerathen war. Simon III., bemüht, das Gebiet wieder zu vereinigen, ertheilte
zunächst (1366) der Stadt Lippstadt das Privileg, daß sie unter mehreren Erben nur in eine
Hand huldigen solle, und schloß sodann mit seinen Burgmannen und Städten eine Vereinbarung,
nach welcher die Herrschaft Lippe mit allen künftigen Erwerbungen auf ewig ungetheilt
bleiben, alle Bewohner derselben nur einem Herrn huldigen sollen, und zwar unter mehreren
Mannerben, ev. rechten Erben, demjenigen, an welchen die Städte Lippstadt und Lemgo sich kehren
würden. Das Wahlrecht der beiden Hauptstädte ist anscheinend niemals ausgeübt, vielmehr die
Primogenitur herrschend geworden und in diesem Sinne jenes Statut auch durch kaiserliche
Urkunden wiederholt bestätigt worden. So ist das pactum oder privilegium unionis vom
27. Decbr. 1368 zur Grundlage der Haus= und Landesverfassung gewor-
den. Gleichwohl ist das Princip der Untheilbarkeit Gegenstand jahrhundertelanger Kämpfe im
gräflichen Hause gewesen, schon im 16. Jahrh. und besonders unter den Descendenten Simons VI.
bis in die neuere Zeit hinein. Die Quelle dieser Streitigkeiten war vorzugsweise ein Testament
dieses Grafen (reg. 1563—1613), des Stammvaters der noch blühenden Linien vom 30. Aug. 1597,
durch welches seine nachgeborenen Söhne mit ansehnlichen Grundbesitzungen und Gerechtsamen
ausgestattet waren, denn diese Dispositionen wurden nicht selten in den Nebenlinien als Landes-
theilung aufgefaßt und weitgreifende Rechte daraus hergeleitet, während die erstgeborene Linie
stets daran festhielt, daß jene Dotationen unbeschadet der Integrität des Landes nur Paragial=
besitzungen unter der Hoheit des regierenden Hauses seien.
Diese Konflikte führten zu zahlreichen Prozessen an den Reichsgerichten zwischen allen
Linien des Hauses und sind erst in neuerer Zeit durch ein Bundesausträgalurtheil von 1838
zwischen Lippe und Schaumburg-Lippe, welches über seine Paragialbesitzung die Souveränetät
beanspruchte, zugunsten des regierenden Hauses definitiv beseitigt worden.
Seit dem Aussterben der Nebenlinie zu Brake im Jahre 1709 und der Lemgoer Linie 1766
existiren nur noch die früher Alverdissensche, jetzt Schaumburg-Lippische, und die von einem
Enkel Simons VI. gestiftete Linie der Grafen von Biesterfeld, von welcher sich wieder
die der Grafen von Weissenfeld abgezweigt hat. Diese beiden jüngsten sehr ausgebreiteten
Linien haben durch einen Vertrag von 1762 ihre Paragialbesitzungen im Lande gegen eine Geld-
apanage, unter Vorbehalt ihrer übrigen agnatischen Rechte, an das regierende Haus abgetreten
und das Land verlassen.
Die Rechtsverhältnisse zwischen dem regierenden Hause und den sog. „Erb-
herren“ oder Nebenlinien sind nicht durch ein allgemeines Hausgesetz geregelt, sie beruhen