Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

6 3. Die Landstände. 181 
nur auf den im Simonischen Testamente und in einer Reihe specieller Verträge enthalte- 
nen autonomischen Normen, deren Inhalt indes durch neuere staatsrechtliche Veränderungen 
zum Theil unwirksam geworden ist, z. B. Patrimonialjustiz, Theilnahme am Landtage. 
Noch jetzt bestehen: die eventuellen Erbfolgerechte der nächsten Linie und des nächsten 
Grades mit Primogeniturrecht, die Regentschaft eines Agnaten in Vormundschaftsfällen, 
die Fideikommißqualität des Hausvermögens und die finanziellen Berechtigungen, welche 
für die Linie Schaumburg in den Besitzungen und Nutzungen im Amte Blomberg, nebst 
den sog. Kompetenzgeldern, für Biesterfeld-Weißenfeld in einer Geldrente bestehen und 
in der Mitberechtigung an dem Augustischen Fideikommisse, einer Stiftung zu gunsten 
unvermählter Töchter. Ein Anspruch der Nebenlinien auf Dotirung vermählter Töchter 
aus der Steuerkasse des Stammlandes, eine s. g. Fräuleinsteuer, ist seit langer Zeit Ge- 
genstand von Processen, die noch jetzt nicht rechtskräftig entschieden sind. 
In diesen Prozessen ist auch über die Ebenbürtigkeitsfrage entschieden worden, und zwar 
vom lipp. Hofgerichte (1867) dahin, daß nur die Ehe mit einer Dame von hohem Adel als 
ebenbürtig anzusehen sei, dagegen von den Spruchkollegien zu Göttingen und Erlangen, daß in 
neufürstlichen Häusern (welche auf dem Reichstage von 1582 noch keine Virilstimme führten) wie 
Lippe, auch mit Damen von altem niederem Adel ebenbürtiges Konnubium bestehe, sofern 
nicht eine entgegenstehende Hausobservanz erweislich sei. 
Zu den Hausgesetzen gehört auch das pactum tutorium vom 21. März 1667, durch 
welches die Regentschaften während der Minderjährigkeit — sowie die Vormundschaften 
in der Brakeschen Linie — geregelt wurden. Dasselbe bezweckt die Ausschließung der 
bisher üblichen Regentschaft fremder Fürsten und Beschränkung der mütterlichen Tutel, da- 
gegen die Berufung eines Agnaten des Hauses zur Regentschaft, entweder durch väter- 
liches Testament oder Wahl der Landstände, sowie die Theilnahme der letzteren an der 
Regierung durch zwei ritterschaftliche und zwei städtische Vertreter. Das Statut, wiewohl 
in der Praxis (1734. 1802) nicht immer beobachtet, ist noch in der Verfassungsurkunde 
von 1836 bestätigt worden, bedarf aber einer Aenderung bezüglich der jetzigen Zusammen- 
setzung des Landtags. 
§l# 3. Die Landstände. Die aus dem mittelalterlichen Korporationswesen erwachsene „Land- 
schaft von Ritterschaft und Städten“, in zwei selbstständig berathende „Kurien“ getheilt, ohne 
Vertretung der Geistlichkeit, wurde seit der Reformationszeit (1536) besonders zu finanziellen 
und andern öffentlichen Interessen zugezogen und zu Landtagen berufen. Erst seit Anfang des 
vorigen Jahrhunderts war die Landstandschaft der Ritterschaft an den Besitz eines landtagsfähigen 
Gutes gebunden. Diese Landstände vertraten der Regierung gegenüber im wesentlichen nur ihre 
Standesinteressen, erst nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts fingen sie an, sich als Landes- 
vertreter zu fühlen und strebten nun auch nach einer entscheidenden Stimme bei der Gesetzgebung, 
die sie bisher nur bei Steuerfragen und sonstigen Geldleistungen ausgeübt hatten. Nachdem der 
Untergang des Deutschen Reichs die alten Stände außer Wirksamkeit gesetzt hatte, wurde von 
der damaligen Regentin, der Fürstin Pauline, im Jahre 1819 eine auf zeitgemäße Reformen — 
insbesondere Vertretung des in kräftiger Entwickelung begriffenen und seit 1808 von den Resten 
der Leibeigenschaft befreiten Bauernstandes — basirte Verfassung oktroyirt, aber durch den Wider- 
spruch der Stände und Agnaten (Schaumburg) vereitelt. Erst nach langwierigen Verhandlungen 
und Kämpfen einigte man sich über eine neue Verfassungsurkunde vom 6. Juli 1836, 
welche, vom Wahlgesetz abgesehen, an den ständischen Rechten wenig änderte und selbst das Zwei- 
kammersystem beibehielt. Die erste Kurie bestand nunmehr aus 5 adeligen und 2 bürger- 
lichen Abgeordneten der Ritterschaft, die zweite aus 7 von den Städten (durch Magistrat und 
Vertreter der Bürgerschaft) und 7 von den bäuerlichen Grundbesitzern nach indirekter Wahl gewählten 
Abgeordneten. Auch diese 14 Ageordneten sollen einen Grundbesitz von mindestens 3000 Rth. Werth 
haben. An die Stelle dieser wesentlich agrarischen Standesvertretung und der dominirenden 
Stellung der Ritterschaft wurde zwar im Jahre 1849 ein durch direkte allgemeine Wahl gebildeter 
Landtag von 25 Abgeordneten gesetzt, man kam aber über die Vorbereitung einer neuen Ver- 
fassung nicht hinaus, vielmehr trat schon mit Beginn des Jahres 1853 eine Reaktion ein, welche 
gegen den Widerspruch der Landstände die Verfassung von 1836 wieder herstellte und beim 
Bundestage Schutz fand. 
Es folgte wiederum eine Periode schwerer Konflikte und Stockung der Gesetzgebung ?, 
1) Dazu hat der gleichzeitige Kampf um das Jagdrecht nicht wenig beigetragen. Im
	        
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