88. Kirche und Schule. 185
halt eines landesherrlichen Rekusationsrechts dem Bischofe von Paderborn übertragen).
Die zerstreuten Katholiken sind zu 8 kleinen Gemeinden vereinigt. Die Lutheraner,
mit höchstens 6000 Personen, bilden 4, die Reformirten 40 Gemeinden. Noch jetzt —
wie schon seit dem 16. Jahrh. — sind die Pfarrgemeinden in drei Klassen eingetheilt, jede
mit einem — vor 1876 vom Landesherrn ernannten — Superintendenten und einem Ge—
neralsuperintendenten, welcher Mitglied des Konsistoriums ist. Das Konsistorium zu Det—
mold verwaltet jetzt, nachdem das lutherische Konsistorium der Stadt Lemgo eingegangen,
und ersteres durch einen lutherischen Geistlichen verstärkt ist, alle geistlichen Angelegen—
heiten beider evangelischen Konfessionen.
Seit 1876 ist die kirchliche Verfassung durch eine Reihe organischer Gesetze
umgestaltet worden. Für jede Gemeinde wird ein aus gewählten Mitgliedern bestehender
Kirchenvorstand unter Vorsitz des Pfarrers gebildet. Dem Vorstande liegt die Sorge für
die religiösen, sittlichen und wirthschaftlichen Interessen der Gemeinde ob, er beschließt
über die Beiträge für Gemeindebedürfnisse, er wählt mit den Stellvertretern bei Neube—
setzung der Pfarre den Geistlichen aus drei, mindestens zwei vom Konsistorium präsen—
tirten Bewerbern, sowie einen Abgeordneten zur Klassenversammlung, welche den Superin—
tendenten erwählt. Der Generalsuperintendent wird vom Landesherrn ernannt. Bei
einer städtischen und zwei Pfarren des erbherrlichen Amts Blomberg ist das Patronat
und Präsentationsrecht des Magistrats und Erbherrn beibehalten.
Die Landeskirche besitzt eine durch Gesetze vom 12. September 1877 und 19. Oktb.
1882 organisirte Synodalver fassung, welcher jetzt auch die Lutheraner beigetreten
sind. Seitdem besteht die mindestens alle vier Jahre zu berufende Synode aus den 3
Superintendenten, 3 vom Landesherrn ernannten Mitgliedern, 7 erwählten Geistlichen
und 11 aus den Kirchenvorstehern und ihren Stellvertretern gewählten Laien. Die Sy-
node wählt einen der Geistlichen zum Vorsitzenden, welcher auch an der theologischen Exa-
minations-Kommission theilnimmt, übt mit dem Konsistorium die kirchliche Gesetzgebung
— wozu nicht das Bekenntniß, aber Gottesdienstordnung, Gesang= und Lehrbücher ge-
hören — sowie finanzielle Rechte aus, insbesondere die Kontrole über das gesammte Kir-
chenvermögen, Feststellung des Etats, Besteuerung. Die Synodalkasse erhält aus Landes-
mitteln einen jährlichen Zuschus, von 50 000 M. und deckt im Uebrigen ihre Bedürfnisse
durch die von der Synode bis zu einem Simplum der Klassen= und Einkommenstener
auszuschreibenden Kirchensteuern.
Das Konsistorium leitet und beaufsichtigt auch das Volksschulwesen, welches
schon seit den ersten Jahren dieses Jahrhunderts unter der Regentschaft der Fürstin Pau-
line zu ungewöhnlicher Blüthe gedieh und nach wie vor mit Sorgfalt gepflegt und ge-
fördert wird. Das umfassende Schulgesetz von 1849 wird, im Anschluß an die preußischen
Grundsätze, durch eine Volksschulordnung von 1873 ergänzt. Gegenwärtig besitzt das
kleine Land 109 Volksschulen mit 179 Haupt= und Nebenlehrern, unter Aussicht eines
Vorstandes für jeden Schulbezirk. Wie die übrigen Staatsdiener bilden auch die Lehrer
behufs Versorgung von Wittwen und Waeisen eine obligatorische Societät, gegründet 1802,
reorganisirt durch Gesetz von 1874, und zu gleichem Zweck den freiwilligen „Pestalozzi-
verein“". Zur Ausbildung der Lehrer besteht seit 1782 ein Seminar in Detmold,
welches im Jahre 1801 mit der damals gegründeten „Pflegeanstalt“ verbunden wurde.
Letztere, eine der vielen wohlthätigen Schöpfungen der Fürstin Pauline, war zu einem
Waisen-, Kranken-, freiwilligen Arbeitshause, einer Schule für Handarbeit und einer Klein-
1) In den Edikten vom 9. März 1854 und 7. Oktober 1857 ist bestimmt, daß die Kinder
aus gemischten Ehen, ohne Rücksicht auf Zusagen und Verträge der Verlobten vor der Ehe, der
Konfelsion des Vaters folgen, sofern nicht die Eltern während der Ehe eine andere Vereinbarung
treffen.